Rz. 19
Handelt der Aufsichtsrat auf Weisung, hat dies wie beim Vorstand der AG – im Gegensatz um GmbH-Geschäftsführer – keine haftungsentlastende Wirkung. Dies gilt jedenfalls, wenn es sich um Weisungen handelt, die ihre Grundlage außerhalb des Gesellschaftsrechts haben. Wurde das Aufsichtsratsmitglied z.B. von einer Stadt oder sonstigen Gemeinden in den Aufsichtsrat einer kommunalen GmbH entsandt und angewiesen, dort z.B. gegen die Zustimmung zu einem anstehenden Grundstückgeschäft zustimmen, kann das Aufsichtsratsmitglied ggf. aufgrund seines mit der Gemeinde bestehenden Dienstverhältnisses verpflichtet sein, diese Weisung auszuführen. Das entsandte Aufsichtsratsmitglied kann in einem Arbeits- oder auch Beamtenverhältnis stehen. Die Verweigerung der Umsetzung einer Weisung kann zu arbeitsrechtlichen bzw. beamtenrechtlichen Konsequenzen führen, ggf. ein Dienstvergehen darstellen (siehe z.B. §§ 77 I BBG, 47 I 1 BeamtStG). Diese Weisung entlastet ihn indes gleichwohl nicht von seiner Verantwortlichkeit gemäß § 116 AktG. War die Verweigerung der Zustimmung im konkreten Fall pflichtwidrig und entstand der GmbH ggf. hieraus ein Schaden, kann sich das Aufsichtsratsmitglied schadenersatzpflichtig gemacht haben. Das Aufsichtsratsmitglied hat indes ggf. einen Freistellungsanspruch gegenüber der weisungsgebenden Gemeinde, so dass es im konkreten Fall keines D&O-Versicherungsschutzes bedürfte. Sofern das Aufsichtsratsmitglied die ihm erteilte Weisung gesellschaftsrechtlich nicht befolgen durfte, wird eine Verantwortlichkeit nach dienst- oder arbeitsrechtlichen Bestimmungen im Ergebnis abgelehnt.
Rz. 20
Weisungsrechte gegenüber dem Aufsichtsrat sind bei einem fakultativen Aufsichtsrat in der GmbH denkbar, sie können und müssen, um wirksam zu sein, in der Satzung (Gesellschaftsvertrag) verankert werden. Nicht zu folgen ist der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts, dass sich ein solches Recht der Gemeinde den Aufsichtsrat anweisen zu dürfen auch aus einer Auslegung der Satzung ergeben kann. Ein derartiges starkes Recht, nämlich das Kontrollorgan anzuweisen zu können, muss sich zweifelsfrei und eindeutig als Kompetenzzuweisung an die Gesellschafterversammlung aus der Satzung ergeben. Auch Regelungen im Kommunalrecht etwa des Inhalts, dass die Gemeinde ihren Einfluss auf die kommunale GmbH sicherstellen muss bzw. sogar ausdrücklich ein Weisungsrecht voraussetzen (z.B. § 113 I 2 GO NRW) können diese Satzungsregelung nicht ersetzen. Zuzustimmen ist ferner der Ansicht, dass jedenfalls in einer mehrgliedrigen GmbH, bei der die Kommune nicht alle Anteile unmittelbar oder mittelbar hält, kein Weisungsrecht besteht.
Rz. 21
Bei der AG verbieten sich satzungsmäßige Weisungsrechte, da solche zusätzliche Rechte aufgrund der formellen Satzungsstrenge nicht statthaft sind (§ 23 Abs. 5 Satz 1 AktG). Die Aufsichtsratsmitglieder, die von einem Gesellschafter z.B. einer Gemeinde entsandt werden, haben dieselben Rechte und Pflichten wie sonstige Aufsichtsratsmitglieder. Soweit der fakultative Aufsichtsrat bei der GmbH auf Weisung der Gesellschafterversammlung handelt, was wirksam in der Satzung vereinbart werden kann, besteht bzw. entsteht grundsätzlich keine Haftung gemäß § 116 AktG.
Rz. 22
Dass die Haftung aus § 116 AktG bei einer Weisung an das Aufsichtsratsmitglied, die ihre Grundlage außerhalb des Gesellschaftsrecht hat, uneingeschränkt besteht, folgt daraus, dass der Schutz der Gesellschaft keine Abschwächung seines Schutzes nur deswegen rechtfertigt, dass das Aufsichtsratsmitglied, sich in einem Konflikt befindet und ggf. sogar aus dem anderen Rechtsverhältnis (z.B. einem Dienstverhältnis) zur Umsetzung der Weisung verpflichtet ist. Ist z.B. ein Vertreter der Hausbank im Aufsichtsrat und soll dieser gegen den Verkauf einer Sparte der Gesellschaft stimmen, weil diese aufgrund ihrer Sachwerte für die Werthaltigkeit des Kredits von Bedeutung ist, läge der Verkauf ggf. nicht im Interesse der Bank, aber ggf. im Interesse der Gesellschaft. Nur das Unternehmensinteresse darf der Maßstab des Handelns für das Aufsichtsratsmitglied sein. Dies gilt unter der Geltung des § 116 AktG. Für einen Aufsichtsrat, der fakultativ bei der GmbH installiert wird und für den nicht die Geltung des § 116 AktG vereinbart wird, muss dieser Handlungsmaßstab nicht gelten. Ggf. muss das Aufsichtsratsmitglied diesem Konflikt durch eine Enthaltung bei der Abstimmung oder Niederlegung seines Amts begegnen.