Leitsatz
Schließt der Gesellschaftsvertrag einer GmbH, bei der eine Gemeinde Mehrheitsgesellschafterin ist, die Anwendung der Bestimmungen des Aktiengesetzes für den vorgesehenen fakultativen Aufsichtsrat aus, so muss er regeln, was statt dessen gelten soll. Dazu gehört auch die Regelung eines eventuellen Weisungsrechts der zuständigen kommunalen Organe. Ist dies nicht ausdrücklich erfolgt, kann das Bestehen eines Weisungsrechts durch Auslegung des Gesellschaftsvertrags ermittelt werden.
Sachverhalt
Die Gesellschafterversammlung eines kommunalen Versorgungsbetriebs in Nordrhein-Westfalen in der Rechtsform der GmbH hatte die vom Rat der Stadt vorgeschlagenen Mitglieder in den Aufsichtsrat des Unternehmens gewählt. Die Stadt war Mehrheitsgesellschafterin der GmbH. Diese Aufsichtsratsmitglieder gehörten auch dem Rat der Stadt an. Im Gesellschaftsvertrag war geregelt, dass die Bestimmungen des Aktiengesetzes (AktG) auf den Aufsichtsrat keine Anwendung finden. Zu den Aufgaben des Aufsichtsrats gehörte neben der Überwachung der Geschäftsführung unter anderem die Erteilung der Zustimmung zu grundlegenden Geschäftsvorgängen, darunter auch die Festsetzung und Änderung der allgemeinen Tarifpreise und der allgemeinen Versorgungsbedingungen.
Als Kläger wandten sich die vom Rat der Stadt vorgeschlagenen Aufsichtsratsmitglieder gegen erteilte Weisungen, Aufträge und andere Maßnahmen der Stadt, durch die sie die freie Ausübung ihrer Aufsichtsratsmandate gefährdet sahen.
Entscheidung
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat entschieden, dass in Fällen, in denen der Gesellschaftsvertrag die Anwendung der Bestimmungen des Aktiengesetzes für den vorgesehenen fakultativen Aufsichtsrat einer GmbH, bei der eine Gemeinde Mehrheitsgesellschafterin ist, ausschließt, geregelt werden muss, was statt dessen gelten soll. Dazu gehört nach Ansicht des Gerichts auch die Regelung eines eventuellen Weisungsrechts der zuständigen kommunalen Organe. Ist dies nicht ausdrücklich erfolgt, kann dennoch das Bestehen eines Weisungsrechts durch Auslegung des Gesellschaftsvertrags ermittelt werden.
Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) die Vertreter der Gemeinde in Aufsichtsräten von juristischen Personen, an denen die Gemeinde beteiligt ist, an die Beschlüsse des Rates gebunden sind. Das gilt gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 GO NRW jedoch nur, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Eine derartige anderweitige gesetzliche Bestimmung stelle § 52 Abs. 1 GmbHG dar. Danach sind auf einen Aufsichtsrat, der nicht gesetzlich vorgeschrieben, sondern nur nach dem Gesellschaftsvertrag zu bestellen ist (fakultativer Aufsichtsrat), verschiedene Regelungen des Aktiengesetzes entsprechend anzuwenden. Dies gilt aber nur, soweit nicht im Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist. Zu diesen Regelungen des Aktiengesetzes gehören nach der Rechtsprechung des BGH auch die Vorschriften des § 111 Abs. 5 AktG und der §§ 116, 93 AktG. Daraus wird der aktienrechtliche Grundsatz hergeleitet, dass Aufsichtsratsmitglieder allein dem Unternehmensinteresse verpflichtet sind und im Rahmen der ihnen persönlich obliegenden Amtsführung keinen Weisungen unterliegen.
Das Gericht hat weiter darauf hingewiesen, dass darüber hinaus kein ungeschriebener allgemeiner gesellschaftsrechtlicher Grundsatz der Weisungsunabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern besteht. Dass Aufsichtsratsmitglieder allein dem Unternehmensinteresse verpflichtet sind und keinen Weisungen unterliegen, ist nach der Rechtsprechung des BGH ein Grundsatz des Aktienrechts, der auf § 111 Abs. 5 AktG gestützt wird und damit zugleich gesetzlich verankert ist. Das Bundesverwaltungsgericht ist – entgegen der überwiegenden Meinung in der juristischen Fachliteratur – aber der Ansicht, dass ein solcher Grundsatz für den fakultativen Aufsichtsrat einer GmbH nicht begründbar ist. § 52 Abs. 1 GmbHG gestatte ausdrücklich abweichende Regelungen von den aktienrechtlichen Bestimmungen, aus denen die Weisungsfreiheit der Aufsichtsratsmitglieder hergeleitet werde. Ein freiwillig gebildeter Aufsichtsrat einer GmbH muss nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts daher nicht zwingend die Mindestanforderungen eines unabhängigen Überwachungsorgans erfüllen. Die Ausgestaltung der Aufgaben und Rechte eines fakultativen Aufsichtsrats liege vielmehr in der Hand der Gesellschafter, die dies im Gesellschaftsvertrag regeln. § 52 GmbHG sehe dafür gerade keine bindenden Vorgaben vor, sodass die Gesellschafter über eine große organisatorische Gestaltungsfreiheit verfügen.
Nach der Begründung des Gerichts besteht auch kein Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Weisungsfreiheit der Aufsichtsratsmitglieder. Ohne Kenntnis des Gesellschaftsvertrags könne der Rechtsverkehr kein Vertrauen in bestimmte Rechte und Pflichten der Mitglieder des Aufsichtsrats haben.
Das Bundesverwaltungsgericht hat schließlich noch darauf hingewiesen, dass der Gesellschaftsver...