Gesetzestext
(1)Ist die Annahme oder die Ausschlagung anfechtbar, so kann die Anfechtung nur binnen sechs Wochen erfolgen.
(2)1Die Frist beginnt im Falle der Anfechtbarkeit wegen Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört, in den übrigen Fällen mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt. 2Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210, 211 entsprechende Anwendung.
(3)Die Frist beträgt sechs Monate, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Ausland gehabt hat oder wenn sich der Erbe bei dem Beginn der Frist im Ausland aufhält.
(4)Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Annahme oder der Ausschlagung 30 Jahre verstrichen sind.
A. Allgemeines
Rz. 1
Die §§ 1954 ff. BGB regeln Teilbereiche für die Anfechtung von Annahme- oder Ausschlagungserklärung. Die Anfechtungsgründe selbst stammen aus den §§ 119 ff. BGB des Allgemeinen Teils des BGB. Die §§ 1954 ff. BGB enthalten daher vor allem Verfahrensvorgaben für die Anfechtung.
B. Anfechtungsgründe (§§ 119 ff. BGB)
I. Anfechtungstatbestände
1. Anfechtung wegen Inhalts- und Eigenschaftsirrtum
Rz. 2
Als Anfechtungsgrund i.R.d. §§ 1954 ff. BGB ist zunächst der Inhalts- und Eigenschaftsirrtum nach § 119 BGB anwendbar. § 119 BGB ermöglicht die Anfechtung wegen eines Irrtums in der Erklärungshandlung (§ 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB), wenn also der äußere Erklärungstatbestand nicht dem wirklich Gewollten des Erklärenden entspricht. Bei dem Irrtum über den Erklärungsinhalt (§ 119 Abs. 1 BGB) irrt der Erklärende über die Bedeutung und Tragweite seiner Erklärung. Bei dem Eigenschaftsirrtum (§ 119 Abs. 2 BGB) irrt der Erklärende nicht über die Erklärung und dessen Inhalt, sondern über verkehrswesentliche und wertbildende Eigenschaften des Geschäftsgegenstandes seiner Erklärung, d.h. hier des Nachlasses. Diesem Anfechtungsgrund kommt in der Praxis der Anfechtung von Annahme oder Ausschlagung die größte Bedeutung zu.
Rz. 3
Voraussetzung für einen Anfechtungsgrund ist ferner, dass der Irrtum ursächlich für die Erklärung war (§ 119 Abs. 1 Hs. 2, Abs. 2 BGB, Kausalität), der Erbe also bei Kenntnis der wahren Umstände anders gehandelt hätte. Hieran kann es fehlen, wenn der Erbe durch die erklärte Ausschlagung wirtschaftlich gar nicht schlechter steht, als er ohne die erklärte Ausschlagung stünde. In der Lit. wird z.T. als weitere Voraussetzung der Anfechtung nach § 1954 BGB gefordert, dass dem Erben die Erbschaft auch bei fehlender Überschuldung unzumutbar sein muss, dieses widerspricht jedoch dem System der §§ 119 ff. BGB und ist mit der h.M. abzulehnen. Von dem Inhalts- und Eigenschaftsirrtum nach § 119 BGB ist schließlich der unbeachtliche Motiv- oder Rechtsirrtum – einschließlich Rechtsfolgenirrtum – abzugrenzen, bei dem sich der Erklärende lediglich über die Beweggründe oder rechtlichen Folgen seiner Erklärung geirrt hat. Im Einzelfall kann diese Abgrenzung problematisch sein.
2. Anfechtung wegen falscher Übermittlung
Rz. 4
Der Anfechtungsgrund des § 120 BGB eröffnet die Anfechtung für den Fall, dass die Erklärung unrichtig übermittelt wurde. Die Voraussetzungen dieses Anfechtungsgrundes werden in der Praxis schon wegen der Form der Anfechtung nach § 1955 BGB kaum vorliegen.
3. Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung
Rz. 5
Schließlich stellt § 123 BGB ein Anfechtungsrecht für den Fall dar, dass der Erklärende durch vorsätzliche und widerrechtliche Vorspiegelung, Entstellung oder Verschweigen von Tatsachen zur Abgabe der Erklärung bewogen wurde (§ 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB). Außerdem besteht ein Anfechtungsrecht, wenn der Erklärende durch vorsätzliches und widerrechtliches Inaussichtstellen eines künftigen Übels in eine Zwangslage versetzt wurde und dadurch zu der Erklärung gebracht wurde (§ 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB). Die Bedeutung dieser Anfechtungsgründe i.R.d. §§ 1954 ff. BGB ist ebenfalls eher gering.
II. Überblick über Irrtumskonstellationen
Rz. 6
Im Überblick lassen sich die verschiedenen Anfechtungsgründe wie folgt darstellen: