Gesetzestext
(1)Wird der Erbe nicht innerhalb einer den Umständen entsprechenden Frist ermittelt, so hat das Nachlassgericht festzustellen, dass ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden ist.
(2)Die Feststellung begründet die Vermutung, dass der Fiskus gesetzlicher Erbe sei.
A. Allgemeines
Rz. 1
Das BGB kennt ein gesetzliches Erbrecht des Fiskus (§ 1936 BGB), das allerdings einer nachlassgerichtlichen Feststellung bedarf. § 1964 BGB wie auch die Bestimmung des § 1965 BGB regeln das Verfahren zur Feststellung der gesetzlichen Erbenstellung des Fiskus durch das Nachlassgericht und daran anknüpfende Rechtsfolgen. Die Voraussetzungen, unter denen der Fiskus gesetzlicher Erbe werden kann, und welcher Fiskus diese Rechtsstellung erlangt, sind in § 1936 BGB bestimmt. Den Vorschriften der §§ 1964 ff. BGB kommt Bedeutung nur für den Fall zu, dass der Fiskus gesetzlicher Erbe ist. Sie finden keine Anwendung, wenn der Erblasser von der Möglichkeit der Erbeinsetzung des Fiskus durch letztwillige Verfügung Gebrauch gemacht hat. Das wird ohne Weiteres deutlich aus den Regelungen des Abs. 2 und § 1966 BGB, die jeweils von der Stellung des Fiskus als einem gesetzlichen Erben sprechen.
Rz. 2
§ 1964 BGB regelt in Abs. 1 die Voraussetzungen, unter denen die nachlassgerichtliche Feststellung ergehen kann, dass ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden ist, und bestimmt in Abs. 2 die an die Feststellung anknüpfende Vermutungswirkung der Stellung des Fiskus als gesetzlicher Erbe. Die Vorschrift des § 1965 BGB stellt in Ergänzung zu Abs. 1 das verfahrensrechtliche Erfordernis auf, dass der nachlassgerichtlichen Feststellung eine öffentliche Aufforderung zur Anmeldung der Erbrechte vorauszugehen hat. Die Regelung des § 1966 BGB schließlich befasst sich mit der Rechtsposition des Fiskus vor und nach der Feststellung über dessen Erbrecht.
B. Tatbestand
Rz. 3
Voraussetzung für die Feststellung nach Abs. 1 ist, dass der Erbe nicht innerhalb einer den Umständen entsprechenden Frist ermittelt wird. In Ergänzung dazu regelt § 1965 Abs. 1 S. 1 BGB, dass der Feststellung eine öffentliche Aufforderung zur Anmeldung der Erbrechte vorauszugehen hat (siehe insoweit Kommentierung zu § 1965).
Rz. 4
Nach der Regelung des § 26 FamFG hat das Nachlassgericht die Ermittlungen von Amts wegen vorzunehmen und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen. Das Gericht muss neben der Ermittlung des Erben den letzten Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort und die Staatsangehörigkeit des Erblassers klären. Ersteres entscheidet darüber, welcher Fiskus letztlich zum Erben berufen ist (§ 1936 BGB). Die Staatsangehörigkeit ist zu ermitteln, weil das Feststellungsverfahren nur zulässig durchgeführt werden kann, wenn die §§ 1964 bis 1966 BGB zur Anwendung kommen. Hierzu muss das Erbrecht der Bundesrepublik Deutschland anwendbar sein. Die Art und Weise der Ermittlungen wie auch deren Umfang liegen im pflichtgemäßen Ermessen des Nachlassgerichts. Dem Gericht sind keine bestimmten Maßnahmen vorgeschrieben, es kann etwa Beteiligte und sonstige Personen wie auch Behörden befragen oder in Adressbüchern nach namensgleichen Personen recherchieren. Über §§ 29 Abs. 2, 30 Abs. 1 FamFG finden die zivilprozessualen Vorschriften zur Beweisaufnahme entsprechend Anwendung.
Rz. 5
Wesentliches Kriterium für die Intensität der Ermittlungen ist der Umfang bzw. Wert des Nachlasses. Analog der Regelung des § 1965 Abs. 1 S. 2 BGB können Ermittlungen unterbleiben, wenn diese im Verhältnis zum Wert des Nachlasses unverhältnismäßig hohe Kosten auslösen würden. Dieser Gedanke findet sich auch in einschlägigen landesgesetzlichen Regelungen: So kann nach § 41 Abs. 1 S. 2 LFGG BaWü von der Erbenermittlung abgesehen werden, wenn diese mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden wäre oder der Nachlass geringfügig ist. Von der Pflicht der Erbenermittlung an sich entbinden allerdings auch Überschuldung oder Geringwertigkeit des Nachlasses nicht.
Rz. 6
Vor erschöpfender Durchführung der Ermittlungen kann eine Feststellung nach Abs. 1 grundsätzlich nicht ergehen. Schadensersatzansprüche aufgrund einer zu frühzeitigen Feststellung wegen nicht erschöpfender Ermittlungen dürften allerdings im Hinblick darauf kaum in Betracht kommen, dass die Feststellung lediglich die Vermutung des Abs. 2 begründet und nicht zu einem Ausschluss tatsächlich vorhandener Erben führt (siehe Rdn 10). Eine Feststellung kann nicht ergehen, wenn ein Erbe ermittelt worden oder ein Erbe vorhanden ist, dessen Aufenthaltsort jedoch unbekannt ist, oder auch dann nicht, wenn zwischen zwei Personen ein gerichtliches Verfahren über die Erbberechtigung anhängig ist.
Rz. 7
Die Ermittlungen haben während einer den Umständen entsprechenden Frist zu erfolgen. Damit überlässt es das Gesetz dem Nachlassgericht, orientiert am konkreten Einzelfall und insoweit vor allem unter Berücksichtigung des Nachlasses die Dauer der Frist festzulegen.