Ursula Seiler-Schopp, Michael Rudolf
Rz. 10
Gem. S. 1 sind diejenigen Personen bedacht, welche im Zeitpunkt des Erbfalls die gesetzlichen Erben sein würden. Wie aus der gesetzlichen Formulierung entnommen werden kann, handelt es sich um eine gewillkürte Erbfolge. Unter gesetzliche Erben fallen sowohl die berufenen Verwandten als auch der Ehegatte oder der Lebenspartner.
I. Keine Anwendung von S. 1
Rz. 11
Existiert demgegenüber bereits eine letztwillige Verfügung, bei welcher Erben eingesetzt worden sind, kann die Auslegung ergeben, dass die ursprünglich Bedachten gemeint sind. Für § 2066 BGB bleibt dann kein Raum, es sei denn, das spätere Testament ist als Widerruf der ursprünglichen letztwilligen Verfügung aufzufassen. § 2066 BGB findet auch dann keine Anwendung, wenn die Personen namentlich genannt oder durch bestimmte Merkmale bezeichnet sind ("Kinder meines Bruders"), und zwar selbst dann nicht, wenn es sich um die gesetzlichen Erben handelt. S. 1 ist nicht anwendbar, wenn sich im Einzelfall ermitteln lässt, wen der Erblasser als gesetzliche Erben angesehen hat. Hat der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung Angaben zur Höhe von Erbteilen gemacht oder zum Zeitpunkt, der für die Bestimmung der Personen maßgeblich ist, kommt die Vorschrift des S. 1 nicht zum Zuge. Regelt der Erblasser nur einen dieser Punkte in seiner letztwilligen Verfügung, so gilt für den anderen die gesetzliche Ergänzung. Dieser Nachlassteil ist dann entsprechend den Quoten bei gesetzlicher Erbfolge aufzuteilen. Fällt ein gesetzlicher Erbe ersatzlos nach dem Erbfall weg, tritt Anwachsung unter den verbleibenden ein.
Der Erblasser unterscheidet sehr häufig nicht eindeutig zwischen den Begriffen "Kinder" und "Abkömmlinge". Oft werden Formulierungen wie "alle meine Abkömmlinge" oder "meine Kinder und deren Abkömmlinge" gewählt. In solchen Fällen ist im Wege der Auslegung zu entscheiden, ob der Erblasser tatsächlich alle Abkömmlinge zu gleichen Teilen einsetzen wollte oder aber seine Kinder zu Erben und deren Abkömmlinge zu Ersatzerben berufen sein sollten. In den seltensten Fällen wird man vorliegend zu einer Erbeinsetzung zu gleichen Teilen kommen. Möglich wäre auch eine Einsetzung der Kinder zu Vorerben und die Einsetzung von deren Abkömmlingen zu Nacherben.
II. Analoge Anwendung von S. 1
Rz. 12
§ 2066 BGB ist analog anwendbar, wenn die gesetzlichen Erben eines anderen eingesetzt werden. Auch hier wird die pauschale Bezeichnung gewählt, so dass § 2066 BGB anzuwenden ist, wobei S. 1 als Ergänzungsnorm anzusehen ist. Nach a.A. kommt eine analoge Anwendung in diesen Fällen nicht in Betracht, da bei § 2066 BGB das Näheverhältnis zum Erblasser eine Rolle spielt und daher das Stammesprinzip zwar häufig gewollt sein wird, aber erst durch Auslegung ermittelt werden muss.
Rz. 13
§ 2066 BGB gilt auch analog, wenn es sich um eine vermächtnisweise Zuwendung an die gesetzlichen Erben handelt, des Weiteren wenn die gesetzlichen Erben als Auflagenbegünstigte bedacht worden sind.
III. Anfechtung
Rz. 14
Hat sich der Erblasser über den Kreis seiner gesetzlichen Erben geirrt, kommt eine Anfechtung gem. § 2078 BGB in Betracht. Bei einem vor dem 1.7.1970 errichteten Testament, in dem die nichtehelichen Kinder nicht erwähnt worden sind, richtet sich eine Anfechtung nach § 2079 BGB. Da es dem Erblasser freisteht, bei Änderung des gesetzlichen Erbrechts zu Lebzeiten das Testament zu widerrufen (bzw. einen Erbvertrag bei Vorliegen eines relevanten Irrtums anzufechten), erscheint dieses Ergebnis auch nicht unbillig.
IV. Ausschlagung
Rz. 15
Schlägt eine Person, die gem. § 2066 BGB zum Erben berufen ist, die Erbschaft aus, findet die Vorschrift des § 1953 Abs. 2 BGB Anwendung. Dies hat zur Folge, dass diejenige Erbregelung gilt, die gelten würde, wenn gesetzliche Erbfolge eintreten und der Ausschlagende vorverstorben wäre. § 2094 S. 1 BGB findet keine Anwendung. Es kommt demgemäß nicht zu einer Anwachsung.
V. Erbverträge
Rz. 16
Für die in Erbverträgen enthaltenen einseitigen Verfügungen gilt § 2066 BGB gem. § 2299 Abs. 2 S. 1 BGB unmittelbar, für die vertragsmäßigen Verfügungen gilt § 2066 BGB über die analoge Anwendung des § 2279 Abs. 1 BGB. Es bestehen deshalb Besonderheiten bei den Erbverträgen, weil hier nicht allein der Wille des Erblassers maßgeblich ist, sondern der gemeinsame Wille der Vertragspartner. Häufig wird davon auszugehen sein, dass dann, wenn Ehegatten die "gesetzlichen Erb...