Ursula Seiler-Schopp, Michael Rudolf
Rz. 32
Diejenigen Umstände, welche zur Anfechtung berechtigen, brauchen nicht vom Willen des Erblassers unabhängig zu sein. Diese können vielmehr auch von dessen Willen herbeigeführt worden sein. Die Rspr. hat dies anerkannt. Dies ergibt sich schon aus der Regelung des § 2079 BGB. Durch Adoption oder Wiederheirat kann der Erblasser auch dort einen Anfechtungsgrund schaffen. Wenn im Rahmen des § 2079 BGB vom Erblasser willentlich gesetzte Umstände zur Anfechtung berechtigen, besteht kein Anlass, eine Anfechtung i.R.d. § 2078 BGB aus Gründen, die der Erblasser selbst herbeigeführt hat, nicht zuzulassen.
Rz. 33
Die Grenze, dass die zur Anfechtung berechtigenden Umstände vom Willen des Erblassers herbeigeführt werden können, liegt nach h.M. im Grundsatz von Treu und Glauben. Umstände, die der Erblasser unter Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben herbeigeführt hat, sollen danach nicht zur Anfechtung berechtigen. Daneben ist die Erheblichkeit der Fehlvorstellung streng zu prüfen. Nach a.A. gilt diese Einschränkung jedoch nur bei bindend gewordenen Verfügungen von Todes wegen. Dies wird damit begründet, dass der Erblasser sonst auch nicht durch § 242 BGB gehindert sei, seine Verfügungen zu widerrufen. Nach weiterer Ansicht soll der Arglisteinwand gegen den Anfechtenden aber in jedem Falle zulässig sein.
Rz. 34
Der erstgenannten Ansicht, wonach die Grundsätze von Treu und Glauben in jedem Falle zu berücksichtigen sind, ist zu folgen. Es ist ein erheblicher Unterschied, ob der Erblasser selbst einen Widerruf seiner letztwilligen Verfügung erklärt und er hierdurch die Möglichkeit hat, neu zu testieren, oder ob eine letztwillige Verfügung durch andere nach dem Tod des Erblassers beseitigt wird. Verhält sich bspw. ein Erblasser derart bösartig, dass der künftige Erbe sich revanchiert hat, dann scheidet eine Anfechtung wegen Irrtums über das künftige Wohlverhalten aus, da der Erblasser mit einer derartigen Reaktion rechnen musste.