Ursula Seiler-Schopp, Michael Rudolf
Rz. 86
Die Vorschrift des § 2084 BGB ist zum einen auf die Einzelverfügung, d.h. wenn es sich um eine Erbeinsetzung oder um ein Vermächtnis handelt, anwendbar. Auch für die Fälle, in denen sich die Frage stellt, ob eine Verfügung von Todes wegen oder ein Rechtsgeschäft unter Lebenden vorliegt, gilt § 2084 BGB nach h.M. analog. Eine analoge Anwendung kommt auch dann in Betracht, wenn es um die Frage geht, ob von einer letztwilligen Verfügung auszugehen ist oder von einer widerruflichen Vollmacht auf den Todesfall. Nach höchstrichterlicher Rspr. ist § 2084 BGB auch für die Frage heranzuziehen, ob ein Schenkungsversprechen von Todes wegen oder unter Lebenden gegeben ist. Ebenso ist § 2084 BGB auf die Fälle anwendbar, in denen ein Erbvertrag unwirksam wäre, die Voraussetzungen eines gültigen Testaments jedoch vorliegen. Die Zuwendung der Bezugsberechtigung bei einem Fonds (ab dem Todestag) kann als Vermächtnis auszulegen sein, wenn die erbrechtlichen Formerfordernisse erfüllt sind.
Rz. 87
Zusammenfassend ist daher zu sagen, dass die wohlwollende Auslegung und damit die Anwendbarkeit des § 2084 BGB nicht das Vorliegen eines Testaments voraussetzt. Vielmehr kommt sie auch dann zum Zuge, wenn es um die Abgrenzung des Rechtsgeschäfts unter Lebenden zur Verfügung von Todes wegen geht, ebenso dann, wenn zu entscheiden ist, ob vom Vorliegen eines Erbvertrages oder eines Testaments auszugehen ist.
Rz. 88
Bspw. kann ein privatschriftliches Schenkungsversprechen als testamentarisches Vermächtnis auszulegen sein, ebenso die schenkweise Abtretung einer Hypothek durch eine bloße schriftliche Erklärung. Die Rspr. hat eine Anwendung des § 2084 BGB auch dann angenommen, wenn eine nicht rechtsfähige Gemeinschaft bedacht worden ist und die Verfügung dahingehend verstanden wurde, dass es sich um eine Zuwendung an die Mitglieder der Gemeinschaft gehandelt hat, und zwar unter der Auflage, sie zugunsten der Gemeinschaft zu verwerten. § 2084 BGB greift ebenfalls ein, wenn der Erblasser einen Testamentsvollstrecker bestimmt, obwohl er durch ein gemeinschaftliches Testament, welches die gegenseitige Einsetzung zu unbeschränkten Alleinerben vorsah, hieran gehindert war. Die Rspr. ging unter Anwendung des § 2084 BGB davon aus, dass die Ernennung nur für den Fall des Todes des Längstlebenden gewollt war. Wäre eine Sondernachfolge in einen einzelnen Nachlassgegenstand unwirksam, kann stattdessen eine Erbeinsetzung auf einen entsprechenden Bruchteil des Nachlasses anzunehmen sein.
Hat der Erblasser eine Stiftung zu seiner Alleinerbin berufen und ist das Testament widersprüchlich dahingehend formuliert, ob es sich um eine unselbstständige oder um eine zu errichtende rechtsfähige Stiftung handeln soll, so kann das Testament dahingehend auszulegen sein, dass für eine rechtsfähige Stiftung sprechen könnte, dass die Ziele des Erblassers effektiver erreicht werden könnten.