Rz. 40
Ist es trotz Heranziehung aller dienlichen Umstände nicht gelungen, den tatsächlichen Willen des Erblassers festzustellen, muss der Sinn ermittelt werden, der dem mutmaßlichen Erblasserwillen am ehesten entspricht.[180] Dies wird aus dem in § 2084 BGB enthaltenen Grundsatz der benigna interpretatio gefolgert.[181] Aufgabe des Tatrichters ist es, die letztwillige Verfügung auszulegen. Dieser Aufgabe kann er sich nicht dadurch entledigen, dass er die Schwierigkeiten darlegt, die es unmöglich machen, den Willen des Erblassers festzustellen, und es für unmöglich hält, die Zweifel zu beseitigen. Es ist gerade Sinn und Zweck der Auslegung, derartige Zweifel aufzulösen. Beim mutmaßlichen Erblasserwillen handelt es sich um den wirklichen Willen, den der Erblasser mutmaßlich bei Testamentserrichtung gehabt hat,[182] hingegen nicht um einen hypothetischen irrealen Willen wie bei der ergänzenden Auslegung.
Rz. 41
Nur dann, wenn der Erblasser zu der Zeit, als er sein Testament errichtet hat, an die Möglichkeit einer späteren Änderung der Umstände gedacht hat, kann auf einen mutmaßlichen Willen geschlossen werden. Ist das nicht der Fall, hilft nur die ergänzende Auslegung weiter. Es ist dann zu prüfen, was er gewollt hätte, wenn er die spätere Änderung in Betracht gezogen hätte.[183] Zur Feststellung des mutmaßlichen Erblasserwillens ist zu prüfen, was der Erblasser bei Testamentserrichtung gewollt haben kann. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich aus dem Testament, den sonstigen Umständen und aus der allg. Lebenserfahrung. Ist der Inhalt der Erklärung durch Auslegung ermittelt, ist zu prüfen, ob der Wille in der Urkunde Ausdruck gefunden hat. Nur dann ist der Wille formgültig.[184]
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