Rz. 9
Als Rechtsfolge bestimmt § 2094 BGB, dass sich der Erbteil der nach dem Wegfall verbleibenden Erben nach dem Verhältnis ihrer Anteile – und nicht etwa nach dem Kopf-Prinzip – erhöht.
Beispiel
Ist A zu ½ und B und C zu je ¼ zu Erben eingesetzt, so beträgt das Verhältnis 2:1:1. Fällt C weg, so wächst sein Anteil zu ⅔ dem A und zu ⅓ dem B an. A erhält also ⅔ von ¼ = 1/6 und B erhält ⅓ von ¼ = 1/12. Insgesamt beträgt der Erbteil des A dann ⅔, der Erbteil des B ⅓.
Berechnungsformel: Die Umrechnung der Erbquote des ausscheidenden Miterben berechnet sich wie folgt:
1 geteilt durch (1–X),
wobei X die Erbquote des ausgeschiedenen Miterben darstellt. Hierdurch erhält man den Bruchteil, mit dem die Erbquoten der verbleibenden Miterben zu multiplizieren sind.
Danach ergibt sich im obigen Bsp. folgende Berechnung:
1 geteilt durch (1–¼) = 1 geteilt durch ¾ = 4/3
Die neue Erbquote von A beträgt ½ × 4/3 = ⅔
Die neue Erbquote von B beträgt ¼ × 4/3 = ⅓
Rz. 10
Hiermit wird auch klargestellt, dass nicht etwa zu einem bereits vorhandenen Erbteil des einzelnen Miterben noch ein Erbteil hinzutritt, der dann etwa gesondert angenommen oder ausgeschlagen werden könnte, sondern dass es sich um einen einheitlichen Erbteil handelt. Ebenso verhält es sich bzgl. erbrechtlicher Bindung (§§ 2271, 2289 BGB; Freistellung/Änderungsvorbehalt möglich!). Allerdings wird der angewachsene Erbteil in folgenden Fällen als gesonderter Erbteil behandelt: gem. § 2095 BGB im Hinblick auf die Beschwerung mit Vermächtnissen und Auflagen sowie eine Ausgleichungspflicht, gem. § 2007 BGB im Hinblick auf die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten, gem. § 2110 BGB im Hinblick auf den Umfang des Nacherbenrechts, gem. § 2373 S. 1 BGB im Hinblick auf den Umfang des Rechts des Erbschaftskäufers.
Rz. 11
Hat der Erblasser die Anwachsung ausgeschlossen, so tritt hinsichtlich des Erbteils des weggefallenen Erben gesetzliche Erbfolge ein (§ 2088 BGB). Hat der Erblasser die Anwachsung nur hinsichtlich einzelner Miterben ausgeschlossen, so nehmen nur diese nicht an der Anwachsung teil. Falls die ausgeschlossenen Miterben wegfallen, so wächst deren Erbteil den übrigen Miterben gem. § 2094 BGB gleichwohl an. Die Anwachsung wirkt im Übrigen auch zugunsten des Erbeserben, sofern der vorrangig berufene Erbe mit Wirkung auf den Erbfall wegfällt. Sind mehrere Erben auf einen gemeinschaftlichen Erbteil i.S.d. § 2093 BGB berufen, so bestimmt Abs. 1 S. 2, dass die Anwachsung zunächst unter ihnen stattfindet.
Beispiel
A ist auf ½, B und C gemeinschaftlich auf die andere Hälfte des Nachlasses eingesetzt. Fällt C weg, so tritt für die Aufteilung seines Erbteils an die Stelle des gesamten Nachlasses der gemeinschaftliche Erbteil von B und C, so dass A an der Anwachsung nicht teilnimmt und letztlich A und B insgesamt je ½ des Nachlasses erhalten.
Rz. 12
Sofern jedoch alle der auf den gemeinschaftlichen Erbteil eingesetzten Miterben weggefallen sind, wächst dieser frei gewordene gemeinschaftliche Erbteil nach den Grundsätzen des Abs. 1 S. 1 allen übrigen Erben im Verhältnis ihrer Erbteile an. Abs. 2 bestimmt für den Fall, dass der Erblasser nur über einen Teil der Erbschaft verfügt hat und hinsichtlich des Rests gesetzliche Erbfolge eintritt, dass die Anwachsung nur im Verhältnis der Miterben stattfindet, die auf einen gemeinschaftlichen Erbteil eingesetzt sind.
Beispiel
A ist zu ½ gesetzlicher Erbe, B und C auf den gemeinschaftlichen Erbteil von ebenfalls ½ testamentarisch eingesetzt. Fällt A weg, so kommt es überhaupt nicht zur Anwachsung. Fallen B oder C weg, so tritt Anwachsung nur beim jeweils anderen (C oder B) ein.