Gesetzestext
1Der Erblasser kann bei der Anordnung eines Vermächtnisses, dessen Zweck er bestimmt hat, die Bestimmung der Leistung dem billigen Ermessen des Beschwerten oder eines Dritten überlassen. 2Auf ein solches Vermächtnis finden die Vorschriften der §§ 315 bis 319 entsprechende Anwendung.
A. Allgemeines/Normzweck
Rz. 1
Die Vorschrift des § 2156 BGB stellt eine weitere Möglichkeit dar, von § 2065 Abs. 2 BGB abzuweichen. Der Erblasser ordnet lediglich ein Vermächtnis an und legt den Vermächtniszweck fest. Die Bestimmung des Vermächtnisgegenstandes (der Leistung) kann nach billigem Ermessen dem Beschwerten oder einem Dritten zu überlassen werden. Eine Kombination des § 2156 BGB mit §§ 2151 f. BGB ist möglich und führt dazu, dass die Person, die das Vermächtnis erhalten soll, nicht vom Erblasser bestimmt wird.
B. Tatbestand
I. Zweckvermächtnis
Rz. 2
Voraussetzung eines Zweckvermächtnisses ist zunächst, dass der Erblasser in seiner Verfügung von Todes wegen den Bedachten auswählt, dem er etwas zukommen lassen möchte. Etwas anderes kann gelten, wenn der Erblasser den mit dem Vermächtnis Beschwerten oder einem Dritten das Recht zur Bestimmung des Bedachten einräumt (§§ 2151 f. BGB). Von einem Zweckvermächtnis kann nicht gesprochen werden, wenn es um die Frage geht, ob überhaupt eine Zuwendung erfolgen soll. Die Anordnung eines Vermächtnisses selbst hat beim Zweckvermächtnis immer durch den Erblasser zu erfolgen.
II. Vermächtniszweck
Rz. 3
Das Zweckvermächtnis erfordert weiter, dass der Erblasser in seinem Testament den von ihm verfolgten Zweck bestimmt. Die Bestimmung durch den Erblasser muss so genau sein, dass sich für das billige Ermessen des Beschwerten oder Dritten bei der Auswahl des Vermächtnisgegenstandes ausreichende Anhaltspunkte ergeben. Es ist daher nicht ausreichend, wenn der Erblasser lediglich allgemein formuliert "um ihm eine Freude zu machen", "den Finanzbedarf zu decken" oder "das bei einem solchen Anlass Übliche" (allgemeine Konventionen). Nicht ausreichend ist auch die Zuwendung eines Geldbetrages an eine gemeinnützige Einrichtung (Tierheim oder Behinderteneinrichtung u.Ä.), wenn der Erblasser ohne Angabe eines weiteren Zwecks der Zuwendung die Bestimmung der Höhe eines Geldbetrages dem Erben überlassen hat. Eine zulässige Zweckbestimmung des Erblassers kann in der Ermöglichung eines Studiums oder als Ersatz für einen entgangenen Erbteil liegen. Entsprechend kann der Vermächtniszweck in einer "Reise", "Versorgung" oder Zuweisung eines Betrages für die Grabpflege liegen. Die Verschaffung der Stellung eines Gesellschafters stellt ebenfalls eine ausreichende Bestimmung im Rahmen eines Zweckvermächtnisses dar.
Rz. 4
Nicht unproblematisch ist die Behandlung des sog. "Supervermächtnisses". Bei diesem kommt es zu einer Formulierung von Wahlrechten. Es ist darauf gerichtet, Erbschaftsteuerfreibeträge der Kinder auszunutzen und im Übrigen dem als Alleinerben eingesetzten Ehegatten freie Hand bei der Vermögensübertragung an die Kinder zu geben. Zum einen wird das "super Vermächtnis" kritisch gesehen, weil keine ausreichende Zweckbestimmung vorliegt. Zum anderen ist zu sehen, dass an die Bestimmung des Vermächtniszwecks durch den Erblasser keine zu strengen Anforderungen gestellt werden dürfen. Eine "Abfindung" als Ersatz für den gesetzlichen Erbteil hat der BGH als ausreichende Zweckbestimmung angesehen. Dieses Ziel kann auch mit einem Supervermächtnis verfolgt werden.
III. Leistungsbestimmung
Rz. 5
Gem. S. 1 kann der Erblasser bei der Anordnung eines Vermächtnisses, dessen Zweck er bestimmt hat, die Bestimmung der Leistung "dem billigen Ermessen des Beschwerten oder eines Dritten überlassen".
Rz. 6
Dem Bedachten kann das Bestimmungsrecht aber nicht zugewiesen werden, sofern nicht gleichzeitig ein Fall der §§ 2151, 2152 BGB vorliegt.
Rz. 7
Die Bestimmung der Leistung nach Gegenstand, Art und Weise, Zeit und Ort erfolgt unter Berücksichtigung der §§ 315–319 BGB (einseitiges Leistungsbestimmungsrecht) nach billigem Ermessen (S. 2). Eine Verfügung des Erblassers ist auch nicht schon deshalb unwirksam, weil er nicht ausdrücklich angeordnet hat, die Bestimmung solle nach billigem Ermessen erfolgen, wie dies S. 1 für die Wirksamkeit der Verfügung voraussetzt. Insoweit ist es ausreichend, dass der Wille des Erblassers durch Auslegung aus dem Testament entnommen werden kann. Es ist von einem solchen Willen auch ohne eine Andeutung im Testament auszugehen (S. 2 i.V.m. § 317 Abs. 1 BGB), wenn Anhaltspunkte für eine andere Willensrichtung des Erblassers fehlen. Solange der Erblasser daher den Zweck der Zuwendung bestimmt...