Gesetzestext
(1)Das Vermächtnis eines bestimmten Gegenstands ist unwirksam, soweit der Gegenstand zur Zeit des Erbfalls nicht zur Erbschaft gehört, es sei denn, dass der Gegenstand dem Bedachten auch für den Fall zugewendet sein soll, dass er nicht zur Erbschaft gehört.
(2)Hat der Erblasser nur den Besitz der vermachten Sache, so gilt im Zweifel der Besitz als vermacht, es sei denn, dass er dem Bedachten keinen rechtlichen Vorteil gewährt.
(3)Steht dem Erblasser ein Anspruch auf Leistung des vermachten Gegenstands oder, falls der Gegenstand nach der Anordnung des Vermächtnisses untergegangen oder dem Erblasser entzogen worden ist, ein Anspruch auf Ersatz des Wertes zu, so gilt im Zweifel der Anspruch als vermacht.
(4)Zur Erbschaft gehört im Sinne des Absatzes 1 ein Gegenstand nicht, wenn der Erblasser zu dessen Veräußerung verpflichtet ist.
A. Allgemeines/Normzweck
Rz. 1
Abs. 1 liegt der Gedanke zugrunde, dass der Erblasser, der zu Lebzeiten über sein Vermögen frei verfügen kann, grundsätzlich nur solche Gegenstände einem Dritten zuwenden möchte, die beim Erbfall zu seinem Vermögen gehören. Abs. 4 ergänzt Abs. 1 insoweit, als zu einer Erbschaft dasjenige nicht gehört, zu dessen Veräußerung der Erblasser verpflichtet ist. Abs. 2 berücksichtigt, dass auch der Besitz einen rechtlichen Vorteil darstellen kann. Soweit daher der Erblasser kein Eigentum an der vermachten Sache verschaffen kann, soll er wenigstens die vorteilhafte Besitzposition daran übertragen können. Sofern ein vermachter Gegenstand nicht mehr zur Erbschaft gehört, an dessen Stelle aber ein Anspruch des Erblassers auf Ersatz des Wertes getreten ist, soll im Zweifel dieser Anspruch nach Abs. 3 an die Stelle des Vermächtnisses treten (Surrogationsgedanke).
B. Tatbestand
I. Unwirksames Vermächtnis
Rz. 2
Gegenstand eines wirksamen Vermächtnisses ist grundsätzlich nur ein bestimmter Gegenstand, der zur Zeit des Erbfalls zur Erbschaft gehört; es muss sich somit um ein Stückvermächtnis handeln. Dies gilt auch, wenn das Stückvermächtnis Gegenstand eines Wahlvermächtnisses ist. Abs. 1 ist auch auf das beschränkte Gattungsvermächtnis anwendbar, wenn eine der Gattung entsprechende Sache sich im Nachlass befindet. Einem "Gegenstand" i.S.d. § 2169 BGB ist auch ein an ihm noch zu bestellendes Recht gleichgestellt. Dies gilt insbesondere für das vermachte Recht, den Gegenstand zu erwerben. Der Inbegriff von Gegenständen kann von § 2169 BGB erfasst sein, sofern die Auslegung ergibt, dass der Erblasser sie als "Gegenstand" vermacht sehen wollte. Die Bestimmung des § 2169 BGB findet daher anerkanntermaßen auch dann Anwendung, wenn nicht ein Gegenstand, sondern andere Rechte vermacht werden. Naheliegend ist daher ein Verschaffungsvermächtnis, wenn der vermachte Gegenstand zwar rechtlich nicht zum Nachlass gehört, aber wirtschaftlich in ihm enthalten ist.
Rz. 3
Nicht unter § 2169 BGB fallen persönliche Handlungen (Dienstleistungen) des Beschwerten, seine Arbeitskraft, seine Entschlussfreiheit oder seine persönliche Haftung. Das bedeutet aber nicht, dass dem Beschwerten durch ein Vermächtnis nicht Dienste – gewisse Handlungen vorzunehmen oder zu unterlassen – auferlegt werden können. Auch die Zuwendung einer Erbschaft fällt unter § 2169 BGB. Hier geht es letztlich um die Frage, ob bei einem derartigen Vermächtnis der Bestand der Erbschaft im Zeitpunkt des Erbfalls gemeint ist, das, was zur Zeit der Testamentserrichtung vorhanden war, oder nur das, was der Erblasser selbst hinterlassen hat. Letzteres ist wohl anzunehmen und stellt damit ein Problem i.R.d. § 2164 Abs. 1 BGB dar.
Rz. 4
Soll nach dem Vermächtnis ein Recht an einem Gegenstand für den Vermächtnisnehmer neu begründet werden, ist § 2169 BGB mit der Maßgabe anzuwenden, dass auf die Zugehörigkeit des Gegenstandes zum Nachlass abzustellen ist. Es kommt dann darauf an, dass der Gegenstand auch zur Erbschaft gehört. Entsprechendes gilt bei einem Vermächtnis, das ein Recht auf einen bestimmten Gegenstand vermittelt. Sofern dieses Recht dem Erblasser bereits zustand, ist Abs. 3 einschlägig. Ist das Recht dagegen erst noch neu zu begründen, kommt Abs. 1 zur Anwendung.
Rz. 5
Unwirksam ist das Vermächtnis, wenn der bestimmte Gegenstand zur Zeit des Erbfalls nicht zur Erbschaft gehört. Der Zeitpunkt der Anordnung oder der Anfall des Vermächtnisses ist ohne Bedeutung. Ferner spielt es auch keine Rolle, ob der Gegenstand nach der Anordnung des Vermächtnisses erst erworben wurde. Entscheidend ist, dass der Gegenstand zur Erbschaft gehört (vorbehaltlich Abs. 4). Sofern es um ein Grundstück geht, ist es ausreichend, dass die Auflassung erklärt wurde.
Rz. 6
Hat der Erblasser in seinem Testament eine Lebensversicherung an einen nach dem Versicherungsvertrag nicht Bezugsberechtigten vermacht, fällt sie nicht in den Nachlass. In diesem Fall kann jedoch ein Verschaffungsvermächtnis gegeben sein. Entsprechendes gilt hinsichtlich einer Hinterbliebenenrente. Auch sie befindet sich zu keinem Zeitpunkt im Vermögen des...