Rz. 24
Grundsätzlich geht der Anspruch des Bedachten auf die Übereignung des vermachten Gegenstandes (§§ 873, 925, 929 ff. BGB) oder die Abtretung des vermachten Rechts (§ 398 BGB). Es kommt somit darauf an, was der Erblasser konkret vermacht hat. Der Umfang der Übereignung bzw. Übertragung ist ggf. durch Auslegung zu ermitteln.
Rz. 25
Das Vermächtnis muss grundsätzlich bis zur völligen Ausschöpfung des Nachlasses erfüllt werden. Die Grenzen der Erfüllung finden sich bei der Nachlassinsolvenz in § 327 Abs. 1 Nr. 2 InsO und dem Vermögen, das nach Abzug der Nachlassverbindlichkeiten und Schulden des Erblassers vorhanden ist (§§ 1972, 1992, 2060, 2306, 2318, 2322 BGB). Der Vermächtnisnehmer ist Nachlassgläubiger zweiter Klasse. Wird ein Aufgebotsverfahren durchgeführt, ist der Vermächtnisnehmer erst hinter den ausgeschlossenen Gläubigern zu befriedigen (§§ 1971, 1974 BGB). Hat der Erblasser mehrere Vermächtnisse errichtet, sind diese ggf. zu kürzen (§ 1991 Abs. 4 BGB i.V.m. § 327 InsO). In steuerlicher Hinsicht ist anzumerken: Hat der Erblasser einem Vermächtnisnehmer einen bestimmten Betrag vermacht, der zu einer Steuerfestsetzung führt, ist eine abweichende Festsetzung der Erbschaftsteuer aus Billigkeitsgründen geboten, wenn dem Vermächtnisnehmer lediglich ein geringerer Betrag zugeflossen ist und mit weiteren Zahlungen wegen Ablehnung eines Antrags auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens mangels Masse nicht mehr gerechnet werden kann. Davon unabhängig kann der Erblasser nach § 2189 BGB den Vorrang eines Vermächtnisses anordnen.
Rz. 26
Verschlechtern sich nach dem Erbfall die wirtschaftlichen Verhältnisse, kann der Beschwerte auch bei wesentlicher Änderung der Verhältnisse nicht eine Anpassung verlangen, wenn sich nur ein Risiko verwirklicht hat, das von einer Partei zu tragen ist. Insbesondere kommt auch keine Anpassung nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) in Betracht, solange sich nur ein Risiko verwirklicht, das eine Partei zu tragen hat. Dem Beschwerten steht auch nicht die Entreicherungseinrede nach § 818 Abs. 3 BGB zur Seite.
Rz. 27
Eventuell sind Genehmigungen zur Übertragung des Vermächtnisgegenstandes erforderlich. Dies kann sich bspw. für Grundstücke aus § 16 HöfeO oder § 2 GrdstVG ergeben. Im Einzelfall sind auch familiengerichtliche Genehmigungen zu beachten (§§ 1643, 1821, 1822 BGB). Bei der Übertragung von GmbH-Anteilen sind die §§ 15, 17 GmbHG und bei der Übertragung von Wohnungseigentum ist § 12 WEG zu beachten.
Rz. 28
Nach Kirchenrecht besteht eine Genehmigungsbedürftigkeit nur, wenn der Vermögenswert zum "rechtmäßigen Stammvermögen" der kirchlichen, öffentlich-rechtlichen juristischen Person gehört. Dies ist nicht der Fall, wenn ein der Kirche übereignetes Grundstück von Anfang an mit einem Vermächtnis hinsichtlich eines Nachlassgrundstücks belastet ist.
Rz. 29
Obliegt einem nicht voll geschäftsfähigen Beschwerten die Erfüllung eines Vermächtnisses, ist die Einwilligung bzw. Genehmigung des gesetzlichen Vertreters erforderlich (§§ 107, 1626, 1629 BGB). Fällt das Erfüllungsgeschäft jedoch unter § 1821 BGB, ist die Genehmigung des Familiengerichts notwendig. Dies gilt entsprechend für Eltern eines minderjährigen Beschwerten im Falle genehmigungsbedürftiger Geschäfte (§§ 1643 Abs. 1 i.V.m. 1821 f. BGB). Im Fall von Vor- und Nacherbschaft bedarf der Vorerbe keiner Genehmigung des Nacherben nach § 2113 Abs. 1 BGB, sofern es i.R.d. Erfüllung eines Vermächtnisses um eine Verfügung über ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück oder Grundstücksrecht geht.
Rz. 30
Wird die Genehmigung endgültig versagt, ist das Vermächtnis nach § 2171 BGB unwirksam, es sei denn, die Auslegung des Erblasserwillens ergibt, dass dem Bedachten statt des Gegenstandes bspw. der entsprechende Geldbetrag zugewendet sein soll.
Rz. 31
Soweit der Erblasser den Vermächtnisanspruch bereits zu Lebzeiten erfüllt hat, wird das Vermächtnis grundsätzlich unwirksam (§§ 2169, 2171 BGB), da es auf eine zur Zeit des Erbfalls nicht mehr mögliche Leistung gerichtet ist.
Rz. 32
Wurde ein Stückvermächtnis bereits zu Lebzeiten des Erblassers durch diesen erfüllt, entfällt grundsätzlich dieses Vermächtnis. Es liegt eine unwirksame Vermächtnisanordnung nach § 2171 BGB vor. Das Vermächtnis ist auf eine unmögliche Leistung gerichtet. Demgegenüber wird auch vertreten, der Erblasser erfülle mit der lebzeitigen Übertragung der Sache an den Vermächtnisnehmer den künftigen Vermächtnisanspruch als Dritter im Voraus (§ 267 BGB). Der Vermächtnisanspruch geht danach nicht durch Unmöglichkeit unter, sondern erlischt durch Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB). In der lebzeitigen Leistung kann nach § 267 BGB eine zulässige Leistung auf eine künftige Schuld des Beschwerten gesehen werden, sodass auch in diesem Fall der Vermächtnisnehmer nichts mehr zu fordern hat. In diesem Fall bleibt die Grundlage für Untervermächtnisse (§ 2186 BGB) und Nachvermächtnisse (§ 2191 BGB) bestehen. Sie entfalle...