Rz. 2
Bei der Erklärung des Bedachten handelt es sich um eine formfreie empfangsbedürftige Willenserklärung. Der Zugang bestimmt sich nach den §§ 130–132 BGB. Die Erklärung kann ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten – bspw. durch die Annahme des zugewendeten Gegenstandes – abgegeben werden. Für die Annahme des Vermächtnisses ist es nicht erforderlich, dass der Bedachte Kenntnis von seiner Ausschlagungsmöglichkeit hatte. Die Annahme des Vermächtnisses durch die Eltern, Betreuer oder einen Vormund für das Kind bzw. Mündel bedarf nicht der Genehmigung des Familiengerichts (§§ 1643 Abs. 2, 1822 Nr. 2, 1908 Abs. 1 S. 1 BGB). Im Fall der Annahme des Vermächtnisses durch einen in Gütergemeinschaft (§§ 1432 Abs. 1 S. 1, 1455 Nr. 1 BGB) lebenden Bedachten ist nicht die Zustimmung des anderen Ehegatten erforderlich. Der Verzicht eines in Gütergemeinschaft lebenden Bedachten auf ein endgültig angefallenes Vermächtnis – das dann bereits in das Gesamtgut der Gütergemeinschaft gefallen ist – bedarf jedoch der Zustimmung des Ehegatten. Ebenso steht nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vermächtnisnehmers diesem das Recht zu, das Vermächtnis anzunehmen (§ 83 InsO).
Rz. 3
Die Annahmeerklärung kann erst nach dem Erbfall abgegeben werden (Abs. 2. S. 2). Da die Erklärung bedingungsfeindlich ist, ist sie unwirksam, wenn sie unter einer Zeitbestimmung oder Bedingung abgegeben wird. Abs. 3 verweist auf § 1950 BGB. Danach kann die Annahme nicht auf einen Teil des Vermächtnisses beschränkt werden. Sie wäre unwirksam. Erhält der Bedachte allerdings mehrere selbstständige Vermächtnisse, kann er wählen, welche er annehmen will. Liegt ein gemeinschaftliches Vermächtnis vor, steht es dem einzelnen Bedachten frei, die Annahme zu erklären. Nach Abs. 3 i.V.m. § 1952 Abs. 1 und 3 BGB ist das Ausschlagungsrecht vererblich. Liegt ein gemeinschaftliches Vermächtnis vor, kann jeder Bedachte autonom von den Mitvermächtnisnehmern seine Annahme erklären.
Rz. 4
Bei der Annahmeerklärung handelt es sich nicht um eine höchstpersönliche Erklärung. Sie kann daher auch von einem Bevollmächtigten des Vermächtnisnehmers abgegeben werden. Liegt eine Anwachsung (§ 2158 BGB) vor, umfasst die Annahmeerklärung auch den anwachsenden Vermächtnisteil.
Rz. 5
Die Annahmeerklärung ist gegenüber dem Beschwerten abzugeben (Abs. 2 S. 1). Beschwerte können sein: Erben oder Vermächtnisnehmer (§§ 2147, 2148 BGB), der Begünstigte, dem der Wegfall des zunächst Beschwerten zugutekommt (§ 2161 BGB), oder der erste Vermächtnisnehmer im Fall eines Nachvermächtnisses (§ 2191 BGB). Die Annahmeerklärung ist gegenüber dem Testamentsvollstrecker (§ 2213 Abs. 1 BGB) abzugeben, wenn der Vermächtnisanspruch gegen diesen geltend gemacht werden kann. Wurde die Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht abgegeben, ist die Erklärung nur wirksam, wenn dieses dem Beschwerten den mutmaßlichen Willen des Vermächtnisnehmers mitteilt.
Rz. 6
Für die Annahme des Vermächtnisses gibt es im Gegensatz zur Ausschlagung der Erbschaft (§ 1944 BGB) keine Frist. Sie kann auch nicht durch den Beschwerten gesetzt werden. Eine Ausnahmeregelung hierzu findet sich in § 2307 Abs. 2 BGB, wenn ein Pflichtteilsberechtigter mit einem Vermächtnis bedacht ist. Lediglich der Erblasser hat es in der Hand, das Vermächtnis unter der aufschiebenden Bedingung anzuordnen, dass die Annahme innerhalb einer bestimmten Frist erklärt wird.
Rz. 7
Im Fall der Überleitung des Vermächtnisanspruchs auf den Sozialhilfeträger (§ 93 SGB XII) kommt es nicht dazu, dass das Ausschlagungsrecht auf den neuen Anspruchsinhaber übergeht. Soweit vertreten wird, § 401 BGB sei analog anzuwenden, widerspricht das dem erbrechtlichen Grundgedanken, dass der Bedachte frei über die Annahme des Zugewendeten entscheiden können soll.
Dass es keine Frist für die Erklärung der Annahme oder Ausschlagung gibt, hat praktische Auswirkungen insbesondere bei "Behindertentestamenten mit Vermächtnislösung" unter Vermächtnisvollstreckung. Der Sozialhilfeträger kann nämlich nach Ausschlagung des Vermächtnisses den Pflichtteilsanspruch des pflichtteilsberechtigten Vermächtnisnehmers als verwertbaren Vermögenswert, weil nicht der Vermächtnisvollstreckung unterliegend, ansehen. Dieser ist dann zunächst durch den Sozialhilfeempfänger einzusetzen.
Rz. 8
Die Erklärung der Annahme des Vermächtnisses ist anfechtbar. Die Anfechtung erfolgt nach den allg. Bestimmungen der §§ 119 ff. BGB. Die Vorschriften der §§ 1954 ff. BGB finden keine Anwendung. Eine besondere Möglichkeit der Anfechtung ergibt sich aus § 2308 BGB – über dessen Wortlaut hinaus – für den Fall, dass ein mit einem Vermächtnis bedachter Pflichtteilsberechtigter die Erbschaft annimmt. Die wirksame Anfechtung der Ausschlagung stellt den Zustand der Ungewissheit wieder her. Im Fall der Anfechtung des Vermächtnisses durch den Beschwerten (§ 2078 BGB) hat die Ausschlagung des Vermächtnisses nur Bedeutung, wenn die Anfechtung unbegründet oder ...