Rz. 140
Da Renditeimmobilien grundsätzlich der Erzielung laufender Einkünfte dienen, ist für ihre Bewertung konsequenterweise das Ertragswertverfahren anzuwenden. Denn für einen potenziellen Erwerber stellen die zukünftig erzielbaren Überschüsse den für die Wertbemessung entscheidenden Gesichtspunkt dar. Ein Grundstück kann demnach nur so viel wert sein, wie sich durch seine Nutzung an Gewinn erwirtschaften lässt.
Rz. 141
Das Ertragswertverfahren ist vor diesem Hintergrund die geeignete Bewertungsmethode für alle Objekte, bei denen die Verzinsung des investierten Kapitals für die Preisbildung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr ausschlaggebend ist, also insbesondere Mietwohn- und Geschäftsgrundstücke, gemischt genutzte Grundstücke, Gewerbe- und Industriegrundstücke. Das Ertragswertverfahren kann aber auch bei der Bewertung von Ein- und Zweifamilienhäusern Anwendung finden. Auch wenn hier grundsätzlich das Sachwertverfahren typischerweise zu zutreffenden Ergebnissen führt (vgl. Rdn 123 ff.), kommt alternativ auch das Ertragswertverfahren in Betracht. Voraussetzung ist allerdings im Regelfall, dass geeignete Liegenschaftszinssätze zur Verfügung stehen.
Rz. 142
Der Ertragswert stellt sich prinzipiell als die auf den Bewertungsstichtag abdiskontierte Summe aller künftigen Nettoerträge des Bewertungsobjekts dar. Er setzt sich zusammen aus der Summe der (auf den Bewertungsstichtag abdiskontierten) über die verbleibende wirtschaftliche Restnutzungsdauer der baulichen Anlagen jährlich anfallenden Reinerträge und dem hernach voraussichtlich noch verbleibenden (abdiskontierten) Restwert des Bewertungsobjekts.
Rz. 143
Nach § 17 ImmoWertV kommen zur Durchführung des Ertragswertverfahrens verschiedene Varianten in Betracht, nämlich das sog. eingleisige Ertragswertverfahren (§ 17 Abs. 2 Nr. 2 ImmoWertV), das ohne eine Aufteilung des Ertragswerts in einen Boden- und einen Gebäudewertanteil auskommt, und das zweigleisige Ertragswertverfahren (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 ImmoWertV), bei dem eine Aufteilung des Ertragswerts in einen Boden- und einen Gebäudewertanteil erfolgt. Daneben existiert noch das sog. mehrperiodische Ertragswertverfahren auf der Grundlage alternierender Erträge (§ 17 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Abs. 3 ImmoWertV).
Rz. 144
Das eingleisige Ertragswertverfahren wird auch als "vereinfachtes Ertragswertverfahren" bezeichnet. Grundsätzlich sind aber alle drei Verfahren mathematisch identisch und sollten daher zu denselben Wertfeststellungen führen.
Rz. 145
Das "Standardverfahren" ist das (zweigleisige) allgemeine Ertragswertverfahren nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 ImmoWertV. Dieses stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar:
Wie bereits erwähnt, werden Bodenwert und Gebäudewert getrennt voneinander ermittelt. Für die Bestimmung des Bodenwerts (§ 16 ImmoWertV) gelten die oben für die Bewertung unbebauter Grundstücke dargestellten Grundsätze. Die ImmoWertV fordert grundsätzlich, dass der Bodenwert "vorrangig" aus Vergleichspreisen (§ 15 ImmoWertV) abgeleitet werden solle, lässt nachrangig aber auch eine Ableitung auf der Grundlage geeigneter Bodenrichtwerte zu. Gerade bei bebauten Grundstücken, bei denen die Gebäude eine lange Nutzungsdauer aufweisen, kann in der Praxis aber wohl davon ausgegangen werden, dass die Verwendung des Bodenrichtwerts die an eine ordnungsgemäße Durchführung des Ertragswertverfahrens zu stellenden Anforderungen erfüllt.
Rz. 146
Die Ermittlung des Gebäudeertragswerts beginnt mit der Bestimmung des Gebäudereinertrages. Der Reinertrag bestimmt sich gem. § 18 ImmoWertV als Differenz von Rohertrag und Bewirtschaftungskosten.
Rz. 147
Sowohl Roh- als auch Reinertrag verstehen sich als die "bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung und zulässiger Nutzung (am Bewertungsstichtag) marktüblich erzielbaren Erträge" (§ 17 Abs. 1 S. 1 und § 18 Abs. 2 S. 1 ImmoWertV). Folgerichtig verstehen sich auch die Bewirtschaftungskosten als die "bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung und zulässiger Nutzung marktüblich entstehenden" Aufwendungen. Die marktüblich erzielbaren Erträge bzw. zu erwartenden Aufwendungen können im Einzelfall von den tatsächlich vereinbarten bzw. anfallenden Mieten/Kosten abweichen. Sie sind insbesondere auch – unabhängig von den tatsächlichen Verhältnissen – bei eigengenutzten Gebäuden bzw. Gebäudeteilen sowie im Falle von Leerständen anzuwenden.
Rz. 148
Bei Wohnimmobilien kann als marktüblich erzielbare Miete regelmäßig die ortsübliche Vergleichsmiete angesehen werden. Diese kann durch Rückgriff auf den Mietspiegel nach §§ 558c und 558d BGB bestimmt werden. Maßgeblich ist grundsätzlich die Nettokaltmiete.
Rz. 149
Bei Gewerbeobjekten kommt ein Rückgriff auf den örtlichen Mietspiegel regelmäßig nicht in Betracht. Hier sind stattdessen entsprechende Vergleichsmieten von hinreichend vergleichbaren Objekten in hinreichend vergleichbaren Lagen heranzuziehen. In der Praxis stellt die "marktüblich erzielbare Miete" eines gewerblichen Objekts – im Hinblick auf die...