Rz. 131
Kumulativ mit einem der beiden vorgenannten Tatbestandsmerkmale muss jedoch in der Poolvereinbarung auch eine Stimmrechtsbindung vereinbart sein. Gefordert wird hier eine Verpflichtung, "das Stimmrecht gegenüber nicht gebundenen Gesellschaftern einheitlich auszuüben". Diese Bedingung ist bei einer Stimmrechtsvervielfachung einzelner Gesellschafter ohne gleichzeitige Bindung der übrigen nicht erfüllt.
Rz. 132
Einheitliche Stimmrechtsausübung bedeutet, dass die Einflussnahme einzelner Anteilseigner zum Zwecke einer einheitlichen Willensbildung zurücktreten muss. Hieraus zieht die Finanzverwaltung den Schluss, dass stimmrechtslose Anteile nicht zur Einbeziehung in Poolvereinbarungen geeignet seien. Dieser Auffassung, die im Gesetzeswortlaut keinerlei Stütze findet, kann nicht gefolgt werden. Denn § 13b Abs. 1 Nr. 3 S. 1 ErbStG, der Kapitalgesellschaftsanteile im Falle des Erreichens der Mindestbeteiligungsquote als begünstigungsfähiges Vermögen definiert, enthält keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der Ausstattung der Anteile; er stellt vielmehr einzig und allein auf die Mindestbeteiligungsquote ab. Im Falle des unmittelbaren Erreichens der Mindestbeteiligungsquote durch den Erblasser/Schenker spielt von Gesetzes wegen – und auch nach Auffassung der Finanzverwaltung – die Stimmberechtigung der Anteile keine Rolle. Warum im Falle der Zusammenrechnung mit Anteilen anderer Gesellschafter etwas anderes gelten soll, ist nicht nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass sowohl der Gesetzgeber als auch die Finanzverwaltung verschiedene Möglichkeiten der Sicherstellung einer einheitlichen Stimmrechtsausübung für zulässig halten. Hierzu zählt auch die Variante, dass einzelne Gesellschafter auf ihr Stimmrecht verzichten. Der Verzicht auf ein ursprünglich vorhandenes Stimmrecht soll also ein taugliches Mittel zur Poolung von Beteiligungen darstellen, während die ursprüngliche Stimmrechtslosigkeit einer Poolung entgegenstehen soll. Das erscheint wenig konsequent.
Rz. 133
Entgegen der Verwaltungsauffassung müssen – angesichts des klaren Wortlauts des Gesetzes – auch stimmrechtslose Gesellschaftsanteile in Poolvereinbarungen einbezogen werden können. Bei ihnen dürfte das Tatbestandsmerkmal der einheitlichen Stimmrechtsausübung grds. in Leere gehen. Dies gilt insbesondere auch für stimmrechtslose Vorzugsaktien, solange deren Stimmrecht nicht wegen mehrfachen Ausbleibens der Vorzugsdividende wieder aufgelebt ist (vgl. § 140 Abs. 2 AkG). Das Beispiel der Vorzugsaktien macht überdies ein weiteres Problem der Verwaltungsauffassung deutlich: Zur Feststellung, ob die Vorzugsaktien tatsächlich stimmrechtslos sind, müsste nicht nur ihre abstrakte aktienrechtliche Ausgestaltung geprüft werden, sondern vielmehr auch die individuellen Verhältnisse am Übertragungsstichtag. Auch das erscheint im Hinblick auf die Streitanfälligkeit dieser Fragestellung (unter aktien- bzw. gesellschaftsrechtlichen Aspekten) wenig zielführend.
Rz. 134
Für die in dem Poolvertrag enthaltene Vereinbarung über die Stimmrechtsbindung bestehen keine weiteren gesetzlichen Vorgaben. Eine dauerhafte Bindung der Parteien ist allerdings sicherlich zu fordern, so dass "ad-hoc-Stimmbindungen" nur für den jeweiligen Einzelfall den gesetzlichen Anforderungen sicherlich nicht genügen. Im Übrigen gelten hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung von Stimmbindungsvereinbarungen die allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsätze. Soweit gesetzliche Schranken den Stimmbindungsmöglichkeiten Grenzen setzen, gelten diese auch im Rahmen von § 13b Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ErbStG mit der Folge, dass keine Stimmbindung zu fordern ist, soweit eine entsprechende Vereinbarung gesellschaftsrechtlich unzulässig wäre.
Rz. 135
Neben der Möglichkeit zur gemeinsamen Bestimmung eines Sprechers oder eines Aufsichts- oder Leitungsgremiums kann die einheitliche Stimmrechtsausübung wie gesagt auch dadurch erreicht werden, dass einzelne Anteilseigner auf ihr Stimmrecht zugunsten der Poolgemeinschaft verzichten oder die Anteile von vornherein stimmrechtslos sind. Dass in diesem Fall die vom Wortlaut des Gesetzes geforderte "gemeinsame Stimmausübung" aus der Sicht der Inhaber der stimmrechtslosen Anteile – streng genommen – gar nicht möglich ist, sollte insoweit keine Rolle spielen. Denn die tatsächliche Stimmrechtsausübung bzw. die Möglichkeit hierzu ist nicht Voraussetzung für die Einbeziehung der Anteile in die Entlastung. Im Übrigen besteht kein Erfordernis, dass die Einflussnahme auf die Geschicke der Gesellschaft ausschließlich durch Anteilseigner erfolgt.
Rz. 136
Die Stimmrechtsbindung gilt nur für die (einheitliche) Stimmrechtsausübung gegenüber anderen nicht selbst an der Poolvereinbarung beteiligten Gesellschaftern. Wie die Entscheidungsfindung innerhalb des Pools ausgestaltet ist, wird durch das Gesetz nicht geregelt und bleibt daher allein den Poolbeteiligten überlassen. Dies gilt auch dann, wenn – was ausdrückli...