Rz. 10
§ 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Buchst. b ErbStG unterwirft solche Erblasser/Schenker und Erwerber der sog. erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht, die als deutsche Staatsangehörige ohne inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland gelebt haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben. In den Anwendungsbereich von § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Buchst. b ErbStG fallen daher nur solche Personen, die nicht (oder nicht mehr) bereits nach Buchstabe a als Inländer gelten. Nach h.M. kommt die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht nur im Anschluss an die Aufgabe eines inländischen Wohnsitzes in Betracht. Die Aufgabe lediglich des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland genügt nicht. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ("…, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben") führt die – auch nur kurzfristige – Wohnsitznahme in Deutschland zu einer Unterbrechung des in § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Buchst. b ErbStG normierten Fünf-Jahres-Zeitraums; die entsprechende Frist beginnt nach der (letzten) Aufgabe eines letzten inländischen Wohnsitzes jeweils neu zu laufen. Ein zwischenzeitlicher gewöhnlicher Aufenthalt im Inland ist hinsichtlich des Fristlaufs jedoch unschädlich. Schließlich ist hinsichtlich der Fünf-Jahres-Frist darauf hinzuweisen, dass sich diese für deutsche Staatsangehörige, die in die USA wegziehen, auf zehn Jahre verlängert.
Rz. 11
Die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht betrifft nur deutsche Staatsangehörige. Die deutsche Staatsangehörigkeit wird grds. durch Geburt, Legitimation oder Einbürgerung erworben. Allerdings besteht seit dem 1.1.2000 auch die Möglichkeit, dass ein auf deutschem Boden von Ausländern geborenes Kind die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt (§ 4 Abs. 3 StAG). Soweit es neben der deutschen eine weitere (ausländische) Staatsangehörigkeit besitzt, muss es aber zwischen dem Eintritt der Volljährigkeit und der Vollendung des 23. Lebensjahres die ausländische Staatsangehörigkeit aufgeben, um die deutsche nicht zu verlieren, § 29 StAG. Nichts desto trotz ist in diesen Fällen eine zeitlich begrenzte doppelte Staatsangehörigkeit die Regel. Gleiches gilt bei der Einbürgerung von EU-Ausländern, hinsichtlich derer teilweise das Erfordernis der Aufgabe der ausländischen Staatsangehörigkeit nicht mehr besteht (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 StAG, §§ 85 Abs. 1 Nr. 4, 87 AuslG). Da § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Buchst. b ErbStG stets anzuwenden ist, wenn die zu beurteilende natürliche Person (auch) die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt (unabhängig vom Bestehen weiterer Staatsangehörigkeiten), kann eine solche doppelte Staatsangehörigkeit erhebliche Probleme mit sich bringen. Denn für die Beurteilung der persönlichen Steuerpflicht kommt es einzig und allein auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Steuerentstehung an. Eine danach erfolgende Aufgabe der deutschen Staatsangehörigkeit kann insoweit wohl nicht als rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO angesehen werden.
Die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht ist – trotz teilweise anders lautender Stimmen in der Literatur – nach Auffassung des EuGH grundsätzlich nicht europarechtswidrig. Zwar hatte der EuGH im Fall van Hilten zur Vermeidung eines Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit zunächst gefordert, dass eine Doppelbesteuerung durch Steuergutschriften (oder auf ähnliche Weise) vermieden werden müsse. An dieser Forderung hat er jedoch nicht festgehalten und in der Entscheidung Block ausgeführt, dass eine Doppelbelastung mit Erbschaftsteuern zwischen den EU-Staaten nicht zwingend vermieden werden müsse. Demzufolge dürfte auch die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Buchst. b ErbStG europarechtlich nicht zu beanstanden sein.