Rz. 18
In § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG sind zwei Fallvarianten geregelt, einmal ist
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der Bedachte aufschiebend bedingt oder unter einer Betagung oder Befristung eingesetzt, |
zum anderen sind
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die zugewandten Ansprüche selbst aufschiebend bedingt, betagt oder befristet. |
§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG ist vorrangig zu den §§ 4–8 BewG. Zu unterscheiden sind aufschiebend bedingte, betagte oder befristete Erwerbsgründe und solche Bedingungen, Betagungen und Befristungen, die sich auf einzelne Erwerbsgegenstände aus dem Nachlass beziehen. Für Letztere entsteht die Steuer zu einem späteren Zeitpunkt, ohne dass es sich um einen gesonderten Erwerbsvorgang handelt. Nicht geregelt ist der Fall der auflösenden Bedingung, weil die Steuer im Falle einer auflösenden Bedingung zunächst ganz normal entsteht und beim späteren Bedingungseintritt ganz oder teilweise wegfällt (§§ 5, 7 BewG; Sonderfälle in § 29 ErbStG). Entsprechendes gilt übrigens bei vorbehaltenen Widerrufs-/Rückforderungsrechten (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).
aa) Aufschiebende Bedingung
Rz. 19
Die aufschiebende Bedingung (§ 158 BGB, §§ 4, 6 BewG) kann sowohl einen positiven Erwerb wie auch eine Verbindlichkeit betreffen. Dabei kann der Erwerb bedingt oder unbedingt und/oder der Anspruch bzw. die Verpflichtung daraus wegen Ungewissheit des Eintritts und ggf. des Zeitpunkt des Eintritts aufschiebend bedingt sein.
Beispiele
Erblasser setzt ein Vermächtnis für K aus unter der Bedingung, dass K bis zu einem bestimmten Termin seine Ausbildung erfolgreich beendet, oder K soll ein Vermächtnis erhalten, es wird aber dem Erben überlassen, wann er es erfüllen will. In beiden Fällen entsteht die Steuer beim Vermächtnisnehmer erst mit Eintritt der Bedingung bzw. der Erfüllung.
Setzt ein Erblasser ein Vermächtnis mit der Maßgabe aus, dass es erst nach vollständiger Veräußerung eines Immobilienbesitzes fällig wird, liegt ein Fall des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Hs. 1 ErbStG (aufschiebend bedingter Erwerb) vor.
Vereinbaren Eheleute vor Schließung der Ehe in einem Ehevertrag, dass ein Ehegatte nach der Scheidung einen bestimmten Geldbetrag erhalten soll, liegt insoweit eine aufschiebend bedingte Geldschenkung vor.
Für aufschiebend bedingte Erwerbe entsteht die Steuer erst mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung oder des Ereignisses. Die korrespondierende Vermächtnislast kann der Beschwerte nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG auch erst bei Eintritt der Bedingung oder Befristung bzw. der Fälligkeit abziehen. Hierfür ist ein Antrag erforderlich, dass die nunmehr entstandene Last berücksichtigt wird (§ 6 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 BewG). Wird ein Miterbe zusätzlich mit einem aufschiebend bedingten Vermächtnis (§ 2177 BGB) oder eine Person mit mehreren Vermächtnissen bedacht, die an unterschiedliche erst nach dem Tod des Erblassers erfüllbare aufschiebende Bedingungen geknüpft sind, liegen mehrere Erwerbsvorgänge vor. Zu ausländischen Erbanfällen siehe Rdn 6. Zum testamentarisch angeordneten Übergang auf einen ausländischen Trust siehe Rdn 28.
Für Vermächtnisse und Auflagen, die erst mit dem Tod des Beschwerten fällig werden, trifft § 6 Abs. 4 ErbStG eine Sonderregelung. Da sie den Nacherbschaften gleichgestellt sind, erfolgt ihr Erwerb und die Steuerentstehung erst mit dem Eintritt des Todes des Beschwerten (aufschiebend bedingt). Es handelt sich nicht um eine Betagung. Der Erwerber hat das Vermögen als vom Beschwerten stammend zu versteuern.
bb) Betagung
Rz. 20
Die Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG betrifft nur solche Fälle, bei denen der Eintritt oder der Zeitpunkt des Eintritts des zur Fälligkeit führenden Ereignisses ungewiss oder unbestimmt ist (Steuerentstehung bei Eintritt der Fälligkeit). Die Erbschaftsteuer für betagte Ansprüche (§ 813 Abs. 2 BGB; § 8 BewG), die zu einem bestimmten (feststehenden) Zeitpunkt fällig werden (Befristung auf einen bestimmten Zeitpunkt), entsteht entsprechend dem Regelfall des § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG im Zeitpunkt des Todes des Erblassers. Ein Vermächtnisanspruch, der mit Vollendung des 21. Lebensjahres des Vermächtnisnehmers fällig wird (betagtes Barvermächtnis), führt bereits mit dem Erwerb, also zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers, zu einer wirtschaftlichen Bereicherung des Vermächtnisnehmers. Ein klassisches Beispiel für eine betagte Forderung mit feststehender Fälligkeit ist die gestundete Kaufpreisforderung. Solche Ansprüche sind ggf. mit ihrem nach § 12 Abs. 3 BewG abgezinsten Wert anzusetzen. Würde aber die Betagung die Entstehung der Kaufpreisschuld selbst betreffen, d.h. wäre ungewiss, ob die Kaufpreisforderung zum Fälligkeitszeitpunkt tatsächlich besteht, käme der besondere Steuerentstehungszeitpunkt des § 9 Abs....