Rz. 5
Für die Bestimmung der Zuständigkeit ist einerseits die Art des Erwerbs und andererseits der Wohnsitz bzw. der gewöhnliche Aufenthaltsort maßgeblich. Letzterer kann aus der Natur der Sache heraus nur dann herangezogen werden, wenn er im Inland liegt. Gesondert geregelt sind daher die Fälle, in denen eine Steuerpflicht trotz Wegzug ins Ausland besteht (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG) oder nur der Erwerber Inländer ist. Angaben zum letzten Wohnsitz des Erblassers erhalten die Erbschaftsteuerstellen im Rahmen der Anzeige nach § 34 ErbStG von den Standesämtern. In Schenkungsfällen werden sich Anhaltspunkte zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit aus der zu übermittelnden beglaubigten Abschrift der Urkunde ergeben, die die Grundlage für den Erwerb legt.
I. Inländischer Erblasser oder Schenker (Abs. 1)
Rz. 6
Ist der Erblasser bzw. der Schenker Inländer, so ergibt sich die örtliche Zuständigkeit aus der sinngemäßen Anwendung des § 19 Abs. 1 AO für natürliche Personen und nach § 20 AO für Gesellschaften. Grundsätzlich wird also auf denjenigen abgestellt, von dem das übertragene Vermögen herrührt. Obgleich dieser Grundsatz bei der zwangsweisen Durchsetzung des Steueranspruches hinderlich ist, weil die Vollstreckung mitunter in einem anderen Finanzamtsbezirk durchzuführen ist, trägt diese Grundentscheidung dazu bei, das Verwaltungsverfahren unabhängig von der Anzahl der Erwerber zusammenzuhalten und so zusätzlichen Verwaltungsaufwand zu ersparen. Wer Inländer im Sinne des ErbStG ist, richtet sich nach § 2 Abs. 1 S. 2 ErbStG. Hierzu zählen neben Personen, die im Zeitpunkt des Erwerbs ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, auch diejenigen, die als deutsche Staatsangehörige im Erwerbszeitpunkt noch nicht länger als fünf Jahre im Ausland leben (sog. verlängerte unbeschränkte Steuerpflicht). Für Letztere ist auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Wegzuges abzustellen (§ 35 Abs. 1 S. 2 ErbStG).
Beispiel
A wohnte zum Zeitpunkt seines Todes in Berlin. Er hinterlässt einen Sohn (Wohnort Hamburg) und eine Tochter (Wohnort München).
Örtlich für die Besteuerung nach § 35 ErbStG zuständig ist das Finanzamt Schöneberg in Berlin, da sich die Zuständigkeit ausschließlich nach dem letzten Wohnort des Erblassers richtet.
Rz. 7
Legaldefinitionen der Begriffe Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthaltsort sind in den §§ 8 u. 9 AO enthalten. Hiernach ist als Wohnsitz eine Wohnung anzusehen, die sich zum ständigen Aufenthalt von Menschen eignet, den Lebensmittelpunkt der betreffenden Person bildet und eine gewisse Dauerhaftigkeit der Wohnsitznahme voraussetzt. Es ist nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige die Wohnung eine gewisse Anzahl von Tagen oder Wochen im Jahr nutzt. Wer die Wohnung allerdings nur vorübergehend benutzt, wofür die Ausstattung und Einrichtung Anhaltspunkte sind, begründet keinen Wohnsitz. Auch regelmäßige Übernachtungen auf einem inländischen Firmengelände oder gelegentliche Aufenthalte bei nahen Angehörigen begründen demgemäß keinen Wohnsitz. Ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat eine Person dort, wo sie, ohne einen Wohnsitz zu haben, sich nicht nur vorübergehend aufhält. Hiervon ist bei einem zeitlich zusammenhängenden Aufenthalt von mindestens sechs Monaten auszugehen (§ 9 S. 2 AO; z.B. Aufenthalt in einem Hotel oder einer Kureinrichtung). Hat die betreffende Person mehrere Wohnsitze, ist auf denjenigen abzustellen, an dem sie sich vorwiegend aufhält.
Beispiel
(Beispiel wie zuvor bei Rdn 6)
Neben seinem Wohnsitz in Berlin unterhielt A weitere Wohnsitze auf Sylt, am Starnberger See und auf Mallorca.
Es ist zu ermitteln, an welchem seiner Wohnsitze sich A vorwiegend aufhält. Der Wohnsitz auf Mallorca bleibt außer Betracht, soweit A als Inländer im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 ErbStG gilt, also seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Die Anmeldung eines Hauptwohnsitzes nach dem Melderecht in Berlin ist ein schwerwiegendes Indiz. Das Finanzamt, in dessen Bezirk sich der vorwiegende Aufenthaltsort befindet, ist für die Besteuerung nach § 35 ErbStG zuständig. Zu vermuten ist dies bei einem zusammenhängenden Aufenthalt von mehr als sechs Monaten (§ 9 S. 2 AO). Anderenfalls ist zu ermitteln, an wie vielen Tagen im Jahr der Erblasser sich im Bezirk der vermeintlich zuständigen Erbschaftsteuerstelle aufhielt.
Rz. 8
Bei verheirateten Personen ist der vorwiegende Aufenthalt der Familie maßgeblich, § 19 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 AO. Zur Feststellung der örtlichen Zuständigkeit nach § 35 Abs. 1 S. 2 ErbStG wird die Erbschaftsteuerstelle wohl in der Regel auf den letzten Wohnsitz nach dem Melderegister abzustellen haben, da anderweitige Erkundigungen wohl in der Regel nur erschwert und allenfalls unter Mitwirkung der Erwerber möglich erscheinen. Ausnahmen von dem Grundsatz, dass die individuellen Lebensumstände den Ausschlag geben, gelten bei der AO vorgehende zwischenstaatliche Regelungen (z.B. Art. 10 des NATO-Truppenstatuts, Art. 14 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen in der Europäischen Union). Für...