Rz. 237
Auch wenn die Sichtweise der Rechtsprechung dogmatisch nur eingeschränkt überzeugen kann, weil sie zu eng ist, bleibt festzuhalten, dass qualitative Gesichtspunkte bei der Beurteilung des Vorliegens eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs jedenfalls eine Rolle spielen können. Außerdem ist dem BFH zuzustimmen, dass die quantitative Grenze der Finanzverwaltung (jedenfalls als Ausschlusskriterium) keinen Bestand haben kann.
Die bloße Vermietungstätigkeit geht – auch bei einer großen Zahl von Wohnungen – nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig nicht über den Rahmen der Vermögensverwaltung hinaus. Das gilt, wie der II. Senat zutreffend herausstellt, auch dann, wenn zur Ausübung der Vermietungstätigkeit ein in "kaufmännischer" Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb unterhalten wird.
Rz. 238
Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum ErbStG 2009 wollte der Finanzausschuss eine Ausnahme für Wohnimmobilien aus dem Verwaltungsvermögen für solche Konstellationen, in denen die Vermietung im Rahmen eines in kaufmännischer Weise eingerichteten, d.h. wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs erfolge. Die Begrifflichkeiten "in kaufmännischer Weise eingerichtet" und "wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb" verstand der Finanzausschuss offenbar synonym.
Auch wenn das etwas weniger technisch geprägte Verständnis des Finanzausschusses von § 14 AO tatsächlich keinen Niederschlag im Gesetz gefunden hat, ging es dem Gesetzgeber erkennbar und offensichtlich allein um den Umfang und nicht um die Qualität der Vermietungstätigkeit. In dieser Situation darauf zu verweisen, dass die Gesetzesmaterialien nicht dazu verleiten dürften, die subjektiven Vorstellungen der gesetzgebenden Instanzen dem objektiven Gesetzesinhalt gleichzusetzen, überzeugt hier insbesondere deshalb nicht, weil bei wortgetreuer Auslegung kaum ein praktischer Anwendungsbereich für die in Rede stehende Norm verbliebe. Schließlich besteht bei den meisten Wohnungsunternehmen das Bestreben, die erweiterte Kürzung bei der Gewerbesteuer (§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG) in Anspruch nehmen zu können, was die Erbringung originär gewerblicher Nebenleistungen ausschließt.
Dies gilt umso mehr, als im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum ErbStG 2016 die in Rede stehende Norm inhaltlich unverändert geblieben ist und zum Gesetzeszweck festgehalten wurde, dass es ausdrücklich um große Wohnungsvermietungsunternehmen gehe. "Der Erhalt von bezahlbarem Wohnraum rechtfertigt als besonderer Gemeinwohlgrund eine Rückausnahme für Wohnungsvermietungsunternehmen, deren Hauptzweck in der Vermietung von Wohnungen besteht."
Rz. 239
Vor diesem Hintergrund ist richtigerweise davon auszugehen, dass Wohnungsunternehmen i.S.v. § 13b Abs. 4 S. 1 Nr. 1 Buchst. d ErbStG auch dann vorliegen können, wenn sich in ihrem Gesamthandsvermögen weniger als 300 vermietete Wohneinheiten befinden.
Soweit die Gesellschaft keine originär gewerblichen Nebenleistungen erbringt, spielt die Anzahl der vermieteten Wohneinheiten lediglich insofern eine Rolle, als sie für die Notwendigkeit der Einrichtung und Aufrechterhaltung eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs bedeutsam ist. Diese Notwendigkeit besteht praktisch auch deutlich unterhalb der von der Finanzverwaltung willkürlich gesetzten Schwelle von 300 Einheiten.
Rz. 240
Sowohl im Hinblick auf die Begünstigungsvoraussetzungen als auch im Hinblick auf den Begünstigungsumfang ist im Übrigen zweifelhaft, ob Wohnungen, die eine gewerblich tätige oder gewerblich geprägte Personengesellschaft mittelbar (durch Beteiligungen an vermögensverwaltenden Personengesellschaften) hält, einzubeziehen sind.
Gem. § 10 Abs. 1 S. 4 ErbStG gilt der Erwerb eines Anteils an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft als Erwerb der (aller) anteiligen Wirtschaftsgüter, die sich im zivilrechtlichen Gesamthandsvermögen dieser Gesellschaft befinden. Nach diesem Grundsatz zählen zum Betriebsvermögen einer gewerblichen bzw. gewerblich geprägten Personengesellschaft, die an einer ihr nachgeordneten vermögensverwaltenden Personengesellschaft beteiligt ist, die (anteiligen) Wirtschaftsgüter der nachgeordneten Gesellschaft. Steuerlich werden diese wie (Bruchtseils-)Miteigentumsanteile (und zwar entsprechend der gesellschaftlichen Beteiligungsquote) behandelt.
Vor diesem Hintergrund müssen aus dogmatischen Gründen die (steuerlichen/fiktiven) Miteigentumsanteile an den von einer vermögensverwaltenden Beteiligungsgesellschaft gehaltenen zu Wohnzwecken vermieteten Wohneinheiten im Rahmen von § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 S. 2 Buchst. d ErbStG wie unmittelbar gehaltener eigener Grundbesitz der Obergesellschaft behandelt werden. Die entgegengesetzte Verwaltungsauffassung entbehrt jeglicher Begründung und auch der dogmatischen Rechtfertigung.
Tatsächlich sind alle in nachgeordneten vermögensverwaltenden Personengesellschaften gehaltenen Wohneinheiten sowohl bei der Frage, ob ihre Verwaltung einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, zu berücksich...