Gerhard Sievert, Ulrich Gohlisch
Rz. 5
In vielen Fällen befinden sich auf den Grundstücken Bauwerke, die auf Dauer keiner Nutzung mehr zugeführt werden können, z.B. Miethäuser, die seit Jahren unbenutzt stehen und in denen Küche und Bad zerstört sind, Betriebsgebäude, Fertigungshallen usw., die aufgrund des Bauzustandes und der technischen Überalterung einfach stehen gelassen worden sind, Ruinen, eingefallene Gebäude usw. Diese Bauwerke werden gewöhnlich nicht berücksichtigt, es liegt ein unbebautes Grundstück vor.
Rz. 6
Davon abzugrenzen sind Gebäude, die an sich intakt sind, die aber, aus welchem Grund auch immer, keiner tatsächlichen Nutzung zugeführt werden können, z.B. Bürogebäude, für die sich kein Mieter findet. Hier liegen bebaute Grundstücke vor. Ein Grundstück gilt auch dann als bebautes Grundstück, wenn sich auf dem Grundstück Gebäude befinden, die aufgrund von Umbauarbeiten vorübergehend nicht benutzbar sind. Sofern bereits vorhandene Gebäude am Bewertungsstichtag wegen baulicher Mängel oder fehlender Ausstattungsmerkmale (z.B. Heizung, Wohnungstüren) vorübergehend nicht benutzbar sind, liegt kein unbebautes Grundstück vor. Nicht zu erfassen sind jedoch Gebäude, die infolge Entkernung keine bestimmungsgemäß benutzbaren Räume mehr enthalten, auch wenn dies nur vorübergehend der Fall ist.
Rz. 7
Die Entscheidung, ob ein unbebautes Grundstück vorliegt, hängt von den Umständen im Einzelnen ab. Sie wird aufgrund der Erklärung des Steuerpflichtigen, ggf. nach Sachverhaltsermittlungen durch das Finanzamt, im Wertfeststellungsbescheid getroffen. Streitigkeiten über die Grundstücksart müssen ggf. im Einspruchsverfahren gegen den Wertfeststellungsbescheid geklärt werden.
Die Feststellungsbescheide des Belegenheitsfinanzamts sind dabei nicht nur hinsichtlich der Werte, sondern auch hinsichtlich des Umfangs der wirtschaftlichen Einheit (siehe § 176 BewG Rdn 3) Grundlagenbescheide für die Erbschaftsteuerbescheide. In seinem Urteil hatte sich der BFH mit dem Problem auseinanderzusetzen, ob ein unbebautes Grundstück (mit Gartennutzung), welches an ein als Familienheim begünstigtes bebautes Grundstück angrenzt, ebenfalls an der Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG partizipieren könne. Im vorliegenden Fall verneinte das der BFH, da sowohl nach zivilrechtlichen Maßstäben (Liegenschaftskataster) als auch nach bewertungsrechtlichen Regeln (zwei getrennte Feststellungsbescheide) dem unbebauten Grundstück die Selbstständigkeit zu attestieren sei. Aus Sicht der Praxis versäumte es der BFH leider, grundsätzlich festzulegen, ob ein Grundstück bezüglich seiner Eigenständigkeit nach zivilrechtlichen Kriterien (vornehmlich also nach dem Grundbuchkriterium – vgl. §§ 873, 891 BGB – als ein vermessener, im Liegenschaftskataster bezeichneter Teil der Erdoberfläche) oder nach bewertungsrechtlicher Sichtweise der wirtschaftlichen Einheit gem. § 2 Abs. 1 BewG zu beurteilen ist.
Rz. 8
Zur Auslegung des Begriffs des unbebauten Grundstücks siehe noch R B 178 ErbStR 2019.