Rz. 6
Das deutsche Erbrecht wird vom Anfallsrecht bestimmt. Es bedarf also keiner ausdrücklichen Annahmeerklärungen wie dies in vielen ausländischen Erbrechtsordnungen der Fall ist. Verstirbt eine Person, so findet nach § 1922 BGB Gesamtrechtsnachfolge statt, dergestalt, dass ein oder mehrere Personen die Vermögensnachfolge der verstorbenen Person antreten. Dabei kann sich die Gesamtrechtsnachfolge als gesetzliche Erbfolge oder aufgrund gewillkürter Erbfolge ergeben. Der Erbe hat also aktiv keine Erklärung abzugeben, ob er die Erbschaft annimmt, sondern nur für den Fall, dass er die Erbschaft ausschlagen möchte, hat er eine Erklärung abzugeben. Nach § 1942 BGB muss der Erbe die Erbschaft ausschlagen, wenn er die Gesamtrechtsnachfolge nicht antreten möchte. Dafür hat er innerhalb der Frist des § 1944 BGB die entsprechende formgerechte Erklärung abzugeben. Für Erben, die sich im Zeitpunkt des Todes des Erblassers im Ausland aufhalten, oder für den Fall, dass der Erblasser seinen letzten Wohnsitz im Ausland hatte, verlängert sich die Sechs-Wochen-Frist des § 1944 Abs. 1 BGB auf sechs Monate nach § 1944 Abs. 3 BGB. Dieses Recht zur Ausschlagung hat aber nicht nur der Erbe, sondern auch der Vermächtnisnehmer nach § 2176 BGB, wobei dieser nicht an eine Frist gebunden ist. Für die Praxis ist dabei zu beachten, dass eine Ausschlagung dann nicht mehr erfolgen kann, wenn der Erbe oder Vermächtnisnehmer durch konkludente Handlung das Erbe oder das Vermächtnis angenommen hat. Beim Erben ist dies beispielsweise der Fall, wenn er einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins nach §§ 2353 ff. BGB, §§ 352 ff. FamFG stellt.
Rz. 7
Die Ausschlagung des Erbes oder des Vermächtnisses führt dazu, dass das Erbe/Vermächtnis beim Ausschlagenden als nicht angefallen gilt. Sollte bereits ein Erbschaftsteuerbescheid ergangen sein, also die Erbschaftsteuer festgesetzt worden sein, so fällt diese für die Vergangenheit mit der zivilrechtlichen Ausschlagung weg, § 175 Abs. 1 S. 1 AO. Eine bereits bezahlte Erbschaftsteuer muss deshalb zurückerstattet werden. Die frist- und formgerechte Ausschlagung nach §§ 1944, 1945 BGB hat zur Folge, dass die Erbschaft bei dem Nächstberufenen nach § 1953 Abs. 2 BGB als auf den Tod des Erblassers angefallen gilt.
Rz. 8
Durch die Ausschlagung lässt sich auch das Steuerrecht gestalten. In bestimmten Konstellationen kann es wünschenswert sein, dass nicht der gesetzliche Erbe oder der gewillkürte Erbe den Nachlass oder ein Vermächtnis erhält, sondern die Erben und Vermächtnisnehmer sich mit den im Falle der Ausschlagung an ihre Stelle tretenden Personen darauf verständigen, dass durch die Ausschlagung eine andere Rechtsnachfolge, also vom Erblasser vorgesehen erfolgt. Die Ausschlagung führt aber nicht dazu, dass das Verhältnis Ausschlagender zum Nächstberufenen zugrunde gelegt wird, auch nicht als Schenkung i.S.v. § 7 ErbStG, sondern allein das Verhältnis Erblasser zum Nächstberufenen zugrunde gelegt wird. Es hat mithin eine vollständige Steuerbetrachtung stattzufinden, sofern der Ausschlagungswillige und der Nächstberufene über eine Ausschlagung aus steuerrechtlichen Gestaltungsüberlegungen heraus nachdenken.
Rz. 9
Ist beispielsweise der überlebende Ehegatte als Alleinerbe berufen und befindet sich im Nachlass eine selbstgenutzte Immobilie, welche nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG steuerfrei bleibt, sofern der erbende Ehegatte diese Wohnung noch zehn Jahre selbst für eigene Wohnzwecke weiternutzt, dieser aber schon beabsichtigt, die Wohnung aufzugeben und wegzuziehen, da er nicht allein in der vormaligen Ehewohnung wohnen bleiben möchte, kann für diesen Fall eine Ausschlagung verbunden mit einer Abfindungsregelung, die auch den ausschlagenden Ehegatten absichert, in Betracht kommen, wenn der einzige Abkömmling der Eheleute die Wohnung dann i.S.v. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG selbst während mehr als zehn Jahren weiternutzt und diese nicht mehr als 200 qm Wohnfläche hat.
Rz. 10
Neben den steuerrechtlichen Überlegungen sind aber auch die zivilrechtlichen Folgen einer Ausschlagung zu berücksichtigen. Wurden beispielsweise die beiden Söhne des Erblassers als Erben eingesetzt und schlägt einer von beiden zugunsten seiner Kinder (Enkelkinder des Erblassers) aus, sind diese aber noch minderjährig, dann treten erhebliche zivilrechtliche Folgen für die Verwaltung des Nachlassvermögens nach §§ 1821, 1822 BGB (Genehmigungspflichtige Rechtsgeschäfte) ein. Es empfiehlt sich für den Erblasser, bei der Fassung seiner letztwilligen Verfügung auch den Fall der Ausschlagung vorzusehen und möglicherweise auch von § 1638 BGB Gebrauch zu machen, indem der Erblasser verfügt, wer für den Fall, dass Minderjährige erwerben, für die Vermögensfürsorge verantwortlich ist.
Rz. 11
Die Ausschlagung ist bedingungsfeindlich, jedoch können im Verhältnis Ausschlagender und Nächstberufener Abreden getroffen werden. Dabei sind auch die einschlägigen Formvorschriften zu beachten wie beispielsweise § 311b BGB für Grundstücke oder § 15 Abs. 3 GmbHG für eine B...