Gesetzestext
(1) Der Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) unterliegen
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der Erwerb von Todes wegen; |
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die Schenkungen unter Lebenden; |
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die Zweckzuwendungen; |
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das Vermögen einer Stiftung, sofern sie wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien errichtet ist, und eines Vereins, dessen Zweck wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, in Zeitabständen von je 30 Jahren seit dem in § 9 Abs. 1 Nr. 4 bestimmten Zeitpunkt. |
(2) Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten die Vorschriften dieses Gesetzes über die Erwerbe von Todes wegen auch für Schenkungen und Zweckzuwendungen, die Vorschriften über Schenkungen auch für Zweckzuwendungen unter Lebenden.
A. Allgemeines
Rz. 1
§ 1 ErbStG enthält eine abschließende Aufzählung der steuerpflichtigen Tatbestände, die – mit Ausnahme der Nr. 4 – in den nachfolgenden §§ 3–8 ErbStG näher erläutert werden. Die Norm regelt damit die sachliche Steuerpflicht, während § 2 ErbStG die persönliche Steuerpflicht normiert. Das Gesetz knüpft regelmäßig an die bürgerlich-rechtlichen Regeln und Erwerbsvorgänge an.
Eine Sonderstellung nimmt Nr. 4 ein, der im Jahr 1974 nachträglich eingefügt wurde, um Besteuerungslücken bei Stiftungen zu schließen. Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG knüpft nicht an einen Erwerbsvorgang an, sondern ähnelt einer Vermögens- bzw. Substanzbesteuerung, indem eine alle 30 Jahre wiederkehrende Steuerpflicht auf Ebene der Stiftung vorgesehen ist. Es wird in einem wiederkehrenden Turnus der Generationenwechsel und eine damit verbundene Übertragung auf zwei Kinder unterstellt (vgl. § 15 Abs. 2 S. 3 ErbStG). Dadurch soll verhindert werden, dass das Vermögen der Stiftung dauerhaft einer Besteuerung entzogen wird. Diese sog. Ersatzerbschaftsteuer oder Erbersatzsteuer ist in § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG abschließend geregelt. Die Verfassungsmäßigkeit der Norm wurde für Familienstiftungen vom BVerfG bestätigt, obwohl sie entgegen der Systematik des Erbschaftsteuerrechts nicht an die Bereicherung der von der Stiftung begünstigten Personen anknüpft.
Rz. 2
Die Norm verdeutlicht die gesetzgeberische Absicht nach einer weitestgehenden Gleichstellung von Schenkungen und Zweckzuwendungen mit den Erwerben von Todes wegen. Dieses Gleichstellungsgebot rechtfertigt jedoch keine pauschale Gleichstellung von Schenkungen und Erwerben von Todes wegen. Regeln beispielsweise Doppelbesteuerungsabkommen – wie mit der Schweiz – nur Erwerbe von Todes wegen, lassen sich ihre Normen nicht auf Schenkungen unter Lebenden übertragen.
B. Tatbestand
I. Abs. 1 Nr. 1–3
Rz. 3
Steuerpflichtig ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG das Vermögen, das der Steuerpflichtige von Todes wegen erwirbt (sog. Erbanfallsteuer). Der Nachlass als solcher unterfällt nicht der Erbschaftsteuer. Der Erwerb kann sich per Gesetz, Testament oder Vertrag vollziehen. Es genügt auch die Werterhöhung eines bereits vorhandenen Vermögensbestandteils (z.B. bei einem Gesellschaftsanteil). Voraussetzung ist eine Bereicherung des Erwerbers und der damit verbundene Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, der der Besteuerung unterliegt. Die §§ 3 und 4 ErbStG definieren dabei im Einzelnen, was – auch über die zivilrechtlichen Definitionen und den unmittelbaren Zusammenhang mit dem Nachlass hinaus (z.B. § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) – als Erwerb von Todes wegen gilt.
Rz. 4
Die nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG steuerpflichtigen Schenkungen unter Lebenden werden von dem Katalog des § 7 ErbStG näher bestimmt. Zu nennen ist vor allem die Schenkung i.S.d. §§ 516 ff. BGB, die einen Unterfall der freigebigen Zuwendung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) darstellt. Die Schenkung auf den Todesfall (§ 2301 BGB) wird steuerlich dem Erwerb von Todes wegen zugeordnet, § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Arten der Zweckzuwendung i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG werden von § 8 ErbStG erläutert. Kennzeichen einer Zweckzuwendung ist dabei, dass Vermögen mit der Verpflichtung zugewendet wird, es für einen bestimmten fremden Zweck zu verwenden. Es entsteht eine getrennte Vermögensmasse, die weder dem Geber noch dem Empfänger zusteht und damit – ohne die Regelung in § 1 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG – unversteuert bliebe.
II. Abs. 1 Nr. 4
Rz. 5
Das Vermögen einer nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG inländischen Familienstiftung unterliegt alle 30 Jahre einer Ersatzerbschaftsteuer, wenn es sich in dem maßgebenden Besteuerungszeitpunkt (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) um eine Familienstiftung handelt, die wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien errichtet wurde. Die Erstausstattung einer Stiftung mit Vermögen wird demgegenüber nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG bzw. § 3 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 ErbStG i.V.m. § 15 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG besteuert. § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG regelt die Besteuerung bei Aufhebung oder Auflösung einer Stiftung (vgl. § 7 ErbStG Rdn 146). (Zur Zustiftung als Schenkung i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG siehe § 7 ErbStG Rdn 140).
1. Rechtsfähige inländische Stiftung
Rz. 6
Als Stiftungsform kommt allein die rechtsfähige Stiftung...