Bei dieser gravierenden Novelle hat sich der Gesetzgeber, wie den Erläuterungen in der Bundesrats-Drucksache 230/19 v. 17.5.2019[1] zu entnehmen ist, von den folgenden Überlegungen leiten lassen.

§ 17 wird neu gefasst. Dessen bisherige Bestimmungen werden in § 17 Abs. 1, 6 und 7 integriert.

In Absatz 1 entfällt die Pflicht zur Berücksichtigung des Lebensalters. Die mit der Dauer des Ausbildungsverhältnisses steigende Vergütung berücksichtigt bereits den mit wachsender beruflicher Qualifikation und Erfahrung steigenden Beitrag zur Wertschöpfung. Dem zeitgleich steigenden Lebensalter kommt daneben keine eigenständige Bedeutung zu.

Mit dem neuen Absatz 2 wird eine gesetzliche Mindestvergütung festgeschrieben. Die Mindestvergütung soll gemeinsam mit den nachfolgenden Absätzen in einem austarierten System Auszubildende besser als durch die bisherige Generalklausel vor Vergütungen schützen, die als nicht mehr angemessen angesehen werden können. Es wird die Verpflichtung von Betrieben konkretisiert, eine "angemessene" Ausbildungsvergütung zu zahlen.

Die Vergütung muss im Ausbildungsvertrag konkret bestimmt werden, sie darf nicht von bestimmten oder bestimmbaren Ergebnissen abhängig gemacht werden und muss entsprechend § 18 Abs. 1 Satz 1 monatlich ausgezahlt werden.

Jahressonderleistungen können daher wie bisher nur ausnahmsweise auf die Mindestvergütung angerechnet werden, wenn sie vertraglich vereinbarte Gegenleistungen für geleistete Arbeit sind, monatlich ausgezahlt werden und ohne Bedingung und unwiderruflich vereinbart sind (z. B. nicht umsatzabhängig).

Gesetzliche Zuschläge, z. B. für Nachtarbeit, werden nicht auf die Mindestvergütung angerechnet. Die Anrechnung vertraglich oder tariflich vereinbarter Zulagen und Zuschläge ist abhängig von der individuellen vertraglichen Ausgestaltung. Sie werden nicht angerechnet, wenn sie nicht ausnahmsweise als fester Bestandteil der Vergütung von vornherein und ohne Bedingung vertraglich vereinbart sowie monatlich gezahlt werden.

Absatz 3 Satz 1 bestimmt, dass auch eine für den Ausbilder nach § 3 Abs. 1 des TVG geltende tarifvertragliche Vergütungsregelung, durch die die in Abs. 2 genannten jeweiligen Mindestvergütungen unterschritten werden, angemessen ist. Damit erhalten die Tarifvertragsparteien die Möglichkeit, die tarifvertraglich vereinbarten Ausbildungsvergütungen nach Einführung der Mindestausbildungsvergütung nach und nach an diese heranzuführen. Befindet sich ein Tarifvertrag in der Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG, gelten nach § 17 Abs. 3 Satz 2 dessen Vergütungsregelungen für bereits begründete Ausbildungsverhältnisse weiterhin als angemessen, bis sie durch einen neuen oder ablösenden Tarifvertrag ersetzt werden.

Absatz 4 sichert oberhalb der Mindestvergütung zusätzlich den bestehenden Mechanismus aus der Rechtsprechung zur Bestimmung einer angemessenen Vergütung gesetzlich ab. Nach Abs. 4 ist die Angemessenheit der vereinbarten Vergütung auch dann, wenn sie die Mindestvergütung nach Abs. 2 nicht unterschreitet, in der Regel ausgeschlossen, wenn sie die Höhe der in einem Tarifvertrag geregelten Vergütung, in dessen Geltungsbereich das Ausbildungsverhältnis fällt, an den der Ausbilder aber nicht gebunden ist, um mehr als 20 % unterschreitet. Voraussetzung für das Eingreifen der Regelung ist, dass ein Tarifvertrag eine Ausbildungsvergütung regelt und dieser Tarifvertrag für das in Rede stehende Ausbildungsverhältnis unmittelbar gelten würde, wenn der Ausbilder tarifgebunden wäre.[2] In einem solchen Fall ist eine vereinbarte Ausbildungsvergütung in der Regel nicht angemessen, wenn sie die in dem einschlägigen Tarifvertrag geregelte Ausbildungsvergütung um mehr als 20 % unterschreitet. Dies gilt für alle Ausbildungsjahre und die damit verbundenen Anstiege der Vergütung. So wird die bestehende ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts[3] kodifiziert. Insbesondere lässt die Formulierung "in der Regel" der Rechtsprechung noch Spielraum für atypische Konstellationen. Durch das Erfordernis eines Tarifvertrages einerseits und durch den in der Rechtsprechung entwickelten möglichen Abschlag von 20 % gegenüber der tarifvertraglichen Regelung andererseits wird ein angemessener und in der Rechtsprechungspraxis bereits etablierter Ausgleich der betroffenen Verfassungsgüter gewählt.

Soweit kein einschlägiger Tarifvertrag besteht, können im Rahmen der Angemessenheitsprüfung oberhalb der Mindestvergütung nach Abs. 2 wie bisher auch andere Kriterien wie z. B. die branchenübliche Vergütung Maßstab der Angemessenheit sein.[4] Das Überschreiten der Mindestvergütung ist eine notwendige, aber nicht automatisch auch eine hinreichende Bedingung für eine angemessene Ausbildungsvergütung. Diese einzelfallbezogene Betrachtung zur Prüfung der Angemessenheit entzieht sich einer über die getroffenen Haltelinien hinausgehenden gesetzlichen Fixierung. Diese Rechtsprechung soll daher insoweit nicht gesetzgeberisch überholt werden.

Absatz 5 regelt die Mindestvergütung für den Fall einer Teilzeitberu...

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