Zusammenfassung
Die Bundesministerien der Justiz und der Finanzen planen ein sog. Zukunftsfinanzierungsgesetz. Es soll insbesondere Wachstumsunternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt erleichtern. Der Beitrag zeigt auf, welche gesellschaftsrechtlichen Folgen das geplante Zukunftsfinanzierungsgesetz mit sich bringt.
Die digitale Transformation und der Wandel zu einer klimaneutralen Wirtschaft erfordern umfangreiche Investitionen, insbesondere aus dem Privatsektor. Die Bundesministerien der Justiz und der Finanzen beabsichtigen daher, Unternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtern. Hierfür haben sie sog. "Eckpunkte für ein Zukunftsfinanzierungsgesetz" vorgestellt, das 2023 beschlossen werden soll. Zu den Zielen gehört, die Rahmenbedingungen für moderne Transaktionsformen wie Special Purpose Acquisition Companies (SPACs) und naked warrants (auf Aktien bezogene Optionsrechte) zu verbessern. Neben den kapitalmarkt- und steuerrechtlichen Folgen wird das geplante Zukunftsfinanzierungsgesetz auch gesellschafts-rechtliche Auswirkungen haben.
Einführung von Mehrstimmrechtsaktien
Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht ist die beabsichtigte Einführung von Mehrstimmrechtsaktien bemerkenswert. Sie zielt einerseits darauf ab, Gründern den Weg zum Kapitalmarkt zu eröffnen, ohne sie dem Risiko eines Kontrollverlustes im eigenen Unternehmen auszusetzen. Andererseits sollen auch solche Investoren für eine Beteiligung an börsennotierten Unternehmen geworben werden, die sich ohne Mehrstimmrechtsaktien dem Kapitalmarkt nicht öffnen würden.
Mehrstimmaktien sind im deutschen Gesellschaftsrecht bislang ausdrücklich nicht zulässig (§ 12 Abs. 2 AktG). Stattdessen gilt der Grundsatz one share one vote, jede Aktie gewährt genau eine Stimme. Hierdurch verlaufen Kapitalbeteiligung und Stimmrecht immer proportional zueinander. Dies würde sich durch die Einführung von Mehrstimmrechtsaktien ändern – eine einzelne Aktie könnte bei gleichem Nennwert ein mehrfaches Stimmrecht gewähren.
Die rechtliche Ausgestaltung der Mehrstimmrechtsaktien ist noch unklar. Verschiedene Gestaltungen sind denkbar: So könnten Mehrstimmrechtsaktien nur bei Loyalitätsaktien zugelassen werden, d.h. nur für den Aktionär, der eine Aktie für einen bestimmten Zeitraum ununterbrochenen hält. Die Stimmkraft könnte zudem durch einen Maximalfaktor, mit dem eine Stimme multipliziert werden darf, beschränkt werden. Auch eine zeitliche Beschränkung der Geltung von Mehrstimmrechtsaktien ist denkbar und sinnvoll, da die Vorteile von Mehrstimmrechtsaktien mit der Zeit nach dem Börsengang abnehmen dürften.
Weitere gesellschaftsrechtliche Auswirkungen
Um den Zugang zum Kapitalmarkt weiter zu erleichtern, soll das Mindestkapital für einen Börsengang von derzeit 1,25 Mio. EUR auf 1 Mio. EUR gesenkt werden.
Außerdem soll das geplante Zukunftsfinanzierungsgesetz Kapitalerhöhungen erleichtern. So soll das Bezugsrecht leichter ausgeschlossen werden können und die Hauptversammlung leichter Bedingtes Kapital schaffen können.
Gesellschaftsrechtlich relevant ist zudem die geplante Erhöhung des steuerlichen Freibetrags für Mitarbeiterbeteiligungen. Der Freibetrag soll von derzeit 1.440 EUR auf 5.000 EUR erhöht werden.
Ausblick und Anmerkungen
Das geplante Zukunftsfinanzierungsgesetz ist aus ökonomischer und rechtspolitischer Sicht zu begrüßen, da es Investitionen am Kapitalmarkt flexibilisiert und damit attraktiver macht. Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht ist die konkrete Ausgestaltung noch unklar – hier wird es auf Details ankommen. Entscheidend wird sein, dass das Aktienrecht weiterhin einen hinreichenden Investorenschutz gewährleistet.
Die Ministerien haben bei Mehrstimmrechtsaktien vorwiegend Wachstumsunternehmen und Start-Ups im Blick. Ein bisher nicht beleuchteter Interessentenkreis stellt darüber hinaus die Gruppe der Familienunternehmen dar. Diese könnten mit Hilfe von Mehrstimmrechtsaktien Kapital für zukunftsträchtige Modernisierungs- und Digitalisierungsmaßnahmen am Kapitalmarkt aufnehmen, ohne hierbei die Kontrolle über das eigene Unternehmen abzugeben.