Durch die Anordnung von Vor- und Nacherbschaft kann der Erblasser das Schicksal seines Nachlasses über mehrere Erbfälle hinweg steuern. Der Erblasser kann einen Erben in der Weise einsetzen, dass dieser erst (Nach-)Erbe wird, nachdem zunächst ein anderer (Vor-)Erbe geworden ist (§ 2100 BGB). Der Erblasser kann auch mehrere Nacherbfälle hintereinander anordnen. Hiernach wird der Erblasser zunächst bei seinem Tod vom Vorerben beerbt und dann zu einem von ihm letztwillig bestimmten späteren Zeitpunkt oder Ereignis (vgl. § 2103 BGB) von dem oder den Nacherben bzw. Nach-Nacherben.
Der Vorerbe erbt das Vermögen des Erblassers, dessen Besitz und Verbindlichkeiten, allerdings nur auf Zeit und als ein von seinem eigenen Vermögen zu unterscheidendes Sondervermögen. Er selbst vererbt also nicht das der Nacherbfolge unterliegende Vermögen weiter. Folglich haben seine Erben an diesem Sondervermögen keine Erb- oder Pflichtteilsrechte. Vielmehr vererbt der Vorerbe nur sein nicht der Nacherbschaft unterliegendes eigenes Vermögen an seine eigenen gesetzlichen oder durch letztwillige Verfügung eingesetzten Erben.
Tritt der Nacherbfall nicht innerhalb von 30 Jahren nach dem Erbfall ein, so wird die Anordnung der Nacherbfolge grundsätzlich unwirksam, es sei denn einer der ebenfalls in § 2109 BGB geregelten Ausnahmefälle liegt vor.
Da der Nachlass nicht in das Eigenvermögen des Vorerben fällt, sondern schlussendlich an den Nacherben zu übertragen ist, ist der Vorerbe in der Verfügung über den Nachlass eingeschränkt, §§ 2113 ff. BGB.
Die Substanz des vererbten Vermögens wird für den Nacherben zudem durch die dingliche Surrogation gem. § 2111 BGB geschützt. Im Übrigen ist der Vorerbe grundsätzlich gem. § 2112 zur Verfügung befugt. Um bei Grundstücksverfügungen des Vorerben den gutgläubigen Erwerb gem. § 2113 Abs. 3 BGB zu verhindern, ist nach § 51 GBO von Amts wegen ein Nacherbenvermerk im Grundbuch einzutragen, der jedoch darüber hinaus keine Grundbuchsperre bewirkt. Ein solcher Vermerk darf nur mit Zustimmung des Nacherben einschließlich der Ersatznacherben in der Form des § 29 GBO oder nach Vorlage des Unrichtigkeitsnachweises gem. § 22 Abs. 1 GBO gelöscht werden.
Da dem Vorerben grundsätzlich nur die Nutzungen, nicht aber die Substanz der Erbschaft zustehen, sind gleichfalls seine Gläubiger in ihren Zugriffsrechten beschränkt. Eigengläubiger des Vorerben dürfen also nicht wegen Geldforderungen gegen den Vorerben in den der Nacherbfolge unterliegenden Nachlass vollstrecken (§ 2115 BGB, § 773 ZPO, § 83 InsO). Die Sicherungsrechte der Gläubiger sind zwar zunächst wirksam, verlieren jedoch mit dem Nacherbfall ihre Wirksamkeit. Fällt die Nacherbfolge weg, können die Gläubiger gemäß ihres Verwertungsranges in die Substanz vollstrecken. Stets können die Gläubiger des Vorerben die dem Vorerben zustehenden Nutzungen verwerten, sofern nicht auch diese Befriedigungsmöglichkeit durch Anordnung einer Testamentsvollstreckung gem. § 2114 BGB verwehrt ist.
Nach § 2136 BGB kann der Erblasser den Vorerben von dem überwiegenden Teil seiner Beschränkungen befreien. Man spricht sodann von einer "befreiten" Vorerbschaft.
Mit dem Anfall der Erbschaft bei dem Vorerben erwirbt der Nacherbe ein Anwartschaftsrecht an dem Nachlass, welches nach § 2108 Abs. 2 BGB vererblich und auch rechtsgeschäftlich übertragbar ist. Will der Erblasser dies unterbinden, ist eine entsprechende Klausel im Testament unabdingbar. Insofern kann der Erblasser einen Ersatznacherben benennen oder die Vererblichkeit bzw. Übertragbarkeit ausschließen.
Die Vor- und Nacherbfolge kann gezielt dazu eingesetzt werden, um
- dem Vorerben nur die Nutzungen des Vermögens, dem Nacherben aber dessen Substanz zukommen zu lassen;
- Vermögen über mehrere Generationen in der Familie zu halten;
- Erben und Pflichtteilsberechtigte des Vorerben auszuschalten;
- den Vorerben wie einen treuhänderischen Verwalter bis zum Übergang auf den Nacherben einzusetzen (Überbrückung von Zwischenzeiten, z. B. bis zum Erreichen eines bestimmten Ausbildungsstandes oder Lebensalters);
- durch bedingten Eintritt des Nacherbfalls das Verhalten des Vorerben zu steuern;
- durch bedingten Eintritt des Nacherbfalls zugunsten noch nicht gezeugter Personen zu verfügen;
- das Vermögen vor dem Zugriff der Gläubiger des Vorerben zu schützen.
Es ist stets zu hinterfragen, ob bzw. inwieweit es angemessen ist, wenn der Testierende seine Erben möglicherweise noch über Jahrzehnte über seinen Tod hinaus hinsichtlich des vererbten Vermögens bindet und er diese Rechenschafts- und Auskunftspflichten unterwirft. Daher – und nicht zuletzt auch weil sie für Laien schwer verständlich ist – sollte die Vor- und Nacherbfolge nur bei zwingenden Gründen angewandt werden.
Formulierungsbeispiel
Vor- und Nacherbfolge (mit optionaler Befreiung von den Beschränkungen der §§ 2113 ff. BGB)
Ich berufe ... zu meinem/meiner alleinigen Erben/Erbin. Diese(r) wird jedoch nur Vorerbe/Vorerbin. Er/Sie ist von den Beschränkungen gem. §§ 2113 ff. BGB (nicht) befreit.
Nache...