Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 313 BGB, § 638 BGB
Kommentar
Die Verpflichtung des beklagten Bauträgers, an die klagende Gemeinschaft geforderte Unterlagen Zug um Zug gegen Kopiekostenerstattung herauszugeben(hier: behördlicher Baugenehmigungsbescheid nebst allen Anlagen, Baugenehmigungspläne nebst genehmigtem Freiflächengestaltungsplan und Entwässerungsplan, geprüfte Statik mit Berechnung, Positions- und Bewehrungspläne sowie Wärme- und Schallschutznachweis, Architektenwerk- und Detailpläne, Ausführungs- und Bestandspläne für die Gewerke Heizung-, Lüftung-, Sanitär- und Elektroinstallation sowie Wasser-, Abwasser- und Aufzugstechnik), ergibt sich als Nebenpflicht aus den Bauträgerverträgen. Auszuhändigen sind auf Verlangen solche Unterlagen, die für die ordnungsgemäße Nutzung und Wartung der Anlage erforderlich sind und der Gemeinschaft ermöglichen, spätere Reparaturen oder Änderungen sachgemäß vornehmen zu können. Käufer und Eigentümer haben hier ein berechtigtes Interesse daran, über die Beschaffenheit ihres erworbenen Eigentums nähere Informationen zu erhalten. Der Bauträgervertrag enthält nicht nur kaufvertragliche, sondern auch werkvertragliche Elemente (wesentliches Element des Bauträgervertrags ist nämlich die Herstellungsverpflichtung des Bauträgers). Aus diesem Grund sind die Rechtsbeziehungen der Parteien nach Werkvertragsrecht zu beurteilen, soweit sie sich auf den Herstellungsvorgang beziehen oder mit ihm in engem Zusammenhang stehen (hier gegeben). Dabei ist zu bedenken, dass der Leistungsgegenstand im Bauträgervertrag notwendigerweise nicht in allen Einzelheiten festgelegt werden kann. Nach Baufertigstellung ist es allerdings erforderlich, den Erwerbern Gewissheit über die Beschaffenheit des Leistungsergebnisses zu verschaffen. Ein konkreter Informationsbedarf der klagenden Eigentümer ist zur Geltendmachung des Unterrichtungsanspruchs nicht notwendig.
Auch im vorliegenden Fall wurde Käufern eine erhebliche Mitwirkungspflicht bei der Mängelbeseitigung vertraglich auferlegt; Käufer sollten sich vereinbarungsgemäß zunächst wegen "Gewährleistungsschäden" an verantwortliche Unternehmer halten und diese unter Bekanntgabe des Mangels, Fristsetzung und Nachfristsetzung zur Mängelbeseitigung auffordern; erst dann sollten die Käufer in der Regel wieder den beklagten Bauträgerverkäufer auf Mängelbeseitigung in Anspruch nehmen. Käufer müssten auch Mängelbeseitigungsarbeiten überwachen und über das Ergebnis dem Bauträgerverkäufer "ggf." berichten. Insoweit handle es sich zwar nicht um die übliche Anspruchsabtretungsklausel mit festgeschriebener Subsidiärhaftungsfolge des Bauträgers. Dennoch bräuchten auch hier Käufer sämtliche Informationen, um ihrer vertraglichen Mitwirkungspflicht gerecht zu werden.
Es sei im Übrigen auch nicht Aufgabe der Baubehörden, Leistungen zu erbringen, die ihren Ursprung in den privatrechtlichen Beziehungen der Parteien hätten; somit könnte der Bauträger die Käufer auch nicht auf die Beschaffung von Informationen und Unterlagen bei den öffentlichen Baubehörden verweisen.
Sämtliche Ausführungs- und Detailpläne sowie die weiteren geforderten Unterlagen seien auch nicht in einer Verweisungsurkunde zu den einzelnen Kaufverträgen erfasst. Auch in Verweisungsurkunden beigefügte Ausführungspläne entsprächen nur dem Stand der Anfangsplanung und gäben im Regelfall nicht den endgültigen Planungszustand wieder.
Sicher wird bei Aushändigung aller Unterlagen Käufern auch die Verfolgung von Gewährleistungsrechten erleichtert. Ein Recht des Bauträgers, das Auffinden von Mängeln zu erschweren, könne allerdings nicht anerkannt werden; insoweit stehe ein Ausforschungsgedanke der Forderung nicht entgegen, es müsse vielmehr ein reduziertes und zeitlich hinausgeschobenes Informationsrecht der Erwerber angenommen werden (ähnlich dem des Bauträgers gegen Subunternehmer analog § 4 VOB/B).
Unterlagen seien jedoch nicht "mitverkauft", sodass Herausgabe von Pausen oder Kopien nur gegen Kostenerstattung zu erfolgen habe.
Verjährung der Ansprüche der Erwerber sei ebenfalls nicht anzunehmen, da es sich hier nicht um Gewährleistungsansprüche, sondern um eine Nebenverpflichtung des Bauträgers aus dem Bauvertrag handele; auf diese Nebenverpflichtungsansprüche sei § 638 BGB nicht anzuwenden.
Link zur Entscheidung
( LG München I, Urteil vom 19.02.1991, 8 O 2417/90, 8 O 16093/90 und 8 O 16094/90, noch nicht rechtskräftig)
zu Gruppe 6: Baurechtliche und bautechnische Fragen; Baumängel
Anmerkung:
Diese Entscheidungen - sollten sie von den Rechtsmittelgerichten bestätigt werden - erscheinen mir für die gesamte Bauträgerbranche äußerst wichtig und dürften von dieser Seite sicher nicht begrüßt werden, da zum einen selbst bei Kostenerstattung für die Aushändigung dieser Detailunterlagen erheblicher, nicht honorierter Zusatzaufwand ggf. noch nach Jahren erbracht werden muss, zum anderen Mängelanspruchsverfolgungen der Käufer dadurch weiter begünstigt werden dürften. Bei angenommener Nebenpflicht könnten hier wohl Herausgabeansprüche 30 Jahre durchge...