Rz. 71

Abzugrenzen von den Sachverhalten des zulässigen Hin- und Herzahlens (siehe Rdn 70) sind die Fälle der sog. verdeckten Sacheinlage. Eine solche verdeckte Sacheinlage nimmt die Rechtsprechung dann an, wenn die gesetzlich vorgegebenen Regeln für Sacheinlagen dadurch umgangen werden, dass zwar in der notariellen Gründungsurkunde eine Bareinlage vereinbart wird, die gegründete Gesellschaft aber bei wirtschaftlicher Betrachtung aufgrund einer im Zusammenhang mit der Gründung getroffenen Absprache vom Gesellschafter einen Sachwert erhält.[47] Der Paradefall ist die Einzahlung des Stammkapitals, wobei von vorneherein vereinbart ist, dass mit dem so eingezahlten Stammkapital Sachwerte des Gründungsgesellschafters durch die Gesellschaft erworben werden. Die Folgen der verdeckten Sacheinlage waren für die betroffenen Gesellschafter vor der Reform des GmbHG durch das MoMiG verheerend: Die Verpflichtung zur Bareinlage blieb bestehen; das schuldrechtliche Umsatzgeschäft war gem. § 27 Abs. AktG nichtig, was nach der neueren Rechtsprechung des BGH auch für das dingliche Rechtsgeschäft galt.[48]

 

Rz. 72

Durch das MoMiG sind die so durch die Rechtsprechung festgelegten Rechtsfolgen etwas abgemildert worden, gleichwohl bleibt für die Gesellschafter ein Restrisiko, das nicht eingegangen werden sollte. Seit dem MoMiG ist der Begriff der verdeckten Sacheinlage gesetzlich definiert (§ 19 Abs. 4 Satz 1 GmbHG). Die früher noch von der Rechtsprechung unterstellte Umgehungsabsicht der Bargründungsvorschriften[49] verlangt das Gesetz nicht mehr. Im Übrigen ist die Tatbestandsseite der verdeckten Sacheinlage unverändert geblieben, jedoch hat der Gesetzgeber die Rechtsfolgenseite verändert. Seit dem MoMiG wird der Wert der verdeckten Sacheinlage von Gesetzes wegen auf die grundsätzlich fortbestehende Bareinlagepflicht des betreffenden Gesellschafters automatisch angerechnet.[50] Für die Anrechnung bedarf es keiner Verrechnungsabrede oder Zustimmung der übrigen Gesellschafter. Die Beweislast für die Werthaltigkeit der verdeckt geleisteten Sacheinlage trägt der betreffende Gesellschafter (§ 19 Abs. 4 Satz 5 GmbHG). Er ist nachweispflichtig dafür, dass die von ihm verdeckt geleistete Sacheinlage zum Zeitpunkt des Einlagegeschäfts den Wert der zu erbringenden Bareinlage abdeckt. Diese Regelung mindert die Folgen der verdeckten Sacheinlage erheblich ab, gleichwohl wird es dem betreffenden Gesellschafter nach einem längerem Zeitraum (denn regelmäßig fallen verdeckte Sacheinlagen erst dem Insolvenzverwalter auf) schwerfallen, die Werthaltigkeit des Gegenstandes zum Leistungszeitpunkt nachzuweisen.

 

Rz. 73

Die zuvor geschilderten Neuregelungen für verdeckte Sacheinlagen gelten erstaunlicherweise auch für Altfälle (vgl. § 3 Abs. 4 EGGmbHG), soweit für diese weder ein wirksamer Vergleich noch ein rechtskräftiges Urteil vorliegt.[51]

[47] Vgl. nur BGHZ 170, 47, 51; BGH GmbHR 2008, 483 = NZG 2008, 311, jew. m.w.N.
[49] Vgl. dazu BGHZ 170, 47.
[50] Priester, ZIP 2008, 55, 56; Heckschen, Das MoMiG in der notariellen Praxis, Rn 84.
[51] Zu den erstaunlichen und verfassungsrechtlich interessanten Folgen dieser Rückwirkung vgl. nur Heckschen, Das MoMiG in der notariellen Praxis, Rn 99 ff.

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