Rz. 233
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens setzt das Vorliegen eines Insolvenzgrundes voraus. Insolvenzgründe sind bei der GmbH:
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die Zahlungsunfähigkeit, |
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die drohende Zahlungsunfähigkeit sowie |
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die Überschuldung. |
1. Insolvenzantrag
Rz. 234
Liegt die Zahlungsunfähigkeit oder die Überschuldung der GmbH vor, so besteht für die Geschäftsführer und die Liquidatoren der GmbH eine Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags. Jeder Geschäftsführer oder Liquidator kann – unabhängig von einer sonst gültigen gesetzlichen oder satzungsrechtlichen Regelung der Vertretungsbefugnis – einen derartigen Antrag allein stellen (§ 15 Abs. 1 InsO). Der Insolvenzantrag ist ohne schuldhaftes Zögern, spätestens jedoch drei Wochen nach Feststellung des Insolvenzgrundes, zu stellen. Eine Verletzung dieser Antragspflicht zieht eine Verpflichtung zum Schadensersatz nach § 64 Abs. 2 GmbHG nach sich. Außerdem ist der betreffende Geschäftsführer nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG strafbar.
Rz. 235
Ein Insolvenzantrag unterliegt keinerlei Formvorschriften. Er kann schriftlich gestellt oder zu gerichtlichem Protokoll erklärt werden. Zuständig für die Entgegennahme eines Insolvenzantrags ist das Amtsgericht am Sitz der Gesellschaft. Stellen sämtliche Geschäftsführer bzw. Liquidatoren der Gesellschaft den Insolvenzantrag, so bedarf es keinerlei weiterer Glaubhaftmachung. Stellen hingegen nur einzelne Geschäftsführer oder Liquidatoren den Antrag, so ist der Insolvenzgrund glaubhaft zu machen (§ 15 Abs. 2 InsO, § 294 ZPO).
2. Zahlungsunfähigkeit
Rz. 236
Zahlungsunfähig ist die GmbH, wenn sie nicht mehr in der Lage ist, die fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 InsO). Eine bloß vorübergehende Zahlungsstockung reicht zur Annahme der Zahlungsunfähigkeit nicht aus. Allgemein als Indizien für eine Zahlungsunfähigkeit werden angesehen: Nichterfüllung größerer Geldsummen trotz Fälligkeit und Mahnung; Häufung von Zahlungsklagen, Vollstreckungsmaßnahmen und Wechselprotesten; Nichtzahlung von Löhnen, Gehältern und Sozialabgaben; Hingabe ungedeckter Schecks.
Rz. 237
Die Zahlungsunfähigkeit der GmbH kann durch Zuführung liquider Mittel, etwa im Wege der Kapitalerhöhung, der Hingabe von Gesellschafterdarlehen, der Kreditbeschaffung oder der Verwertung von Gesellschaftsvermögen, beseitigt werden. Auch eine Stundung von Verbindlichkeiten der GmbH durch ihre Gläubiger kann die Zahlungsunfähigkeit beseitigen.
3. Überschuldung
Rz. 238
Der Insolvenzgrund der Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen der Gesellschaft nicht mehr die Schulden abdeckt (§ 19 Abs. 2 InsO). Hierzu ist eine Überschuldungsbilanz aufzustellen. In ihr sind die tatsächlichen Werte des Vermögens der Gesellschaft in Ansatz zu bringen. Im Einzelnen ist hier vieles umstritten. Da für die Geschäftsführer bzw. Liquidatoren beim Insolvenzgrund der Überschuldung eine Antragspflicht gegeben ist, sollte bei einer drohenden Unternehmenskrise eine fortlaufende Überschuldungsprüfung vorgenommen werden.
4. Drohende Zahlungsunfähigkeit
Rz. 239
Drohende Zahlungsunfähigkeit ist gegeben, wenn die GmbH voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu erfüllen (§ 18 Abs. 2 InsO). Zur Feststellung dieses Insolvenzgrundes ist ein Liquiditätsplan aufzustellen, in den die gesamte Entwicklung der GmbH einzubeziehen ist. Vorhandene Liquidität und im Prognosezeitraum erwartete Einnahmen sind den fällig werdenden Verbindlichkeiten der GmbH im Prognosezeitraum gegenüberzustellen. Dabei ist maximal ein Zeitraum von drei Jahren zu beleuchten. Die Wahrscheinlichkeit, dass innerhalb des Prognosezeitraums die GmbH ihre Zahlungspflichten nicht erfüllen kann, muss höher als 50 % sein.
5. Wirkungen der Insolvenzeröffnung
Rz. 240
Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird die GmbH aufgelöst (§ 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG). Sie besteht nach Auflösung bis zur Vollbeendigung fort. Die Insolvenzmasse, d.h. das gesamte einer Zwangsvollstreckung unterliegende Vermögen der Gesellschaft, dient der gemeinschaftlichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO). Die gesamten Verwaltungs- und Verfügungsrechte der GmbH gehen mit Eröffnung auf den vom Insolvenzgericht ernannten Insolvenzverwalter über. Seine Befugnisse verdrängen die Befugnisse der bisherigen Geschäftsführer.
Rz. 241
Trotz dieser Rechtsfolgen bleibt die gesellschaftsrechtliche Struktur der GmbH erhalten, d.h. die Gesellschaftsorgane behalten die ihnen zustehenden Kompetenzen, soweit sie nicht durch diejenigen des Insolvenzverwalters verdrängt werden. So kann etwa die Gesellschafterversammlung weiterhin die Entlastung der Geschäftsführer – allerdings ohne Verzicht auf etwaige Regressansprüche – beschließen sowie Geschäftsführer ernennen oder abberufen. Die Geschäftsführer bleiben weiterhin vertretungsberechtigt bezüglich des – soweit vorhanden – insolvenzfreien Vermögen...