Dr. Jens Tersteegen, Prof. Dr. Thomas Reich
A. Internationales Erbrecht
Rz. 1
Für Deutschland als Mitglied der Europäischen Union gilt für die Frage der Bestimmung des Erbstatuts ausschließlich die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO). Diese ist für alle Erbfälle maßgeblich, die ab dem 17.8.2015 eintreten (Art. 83 Abs. 1 EuErbVO).
Rz. 2
Für Erbfälle bis zum 16.8.2015 findet nicht die EuErbVO, sondern noch Art. 25 EGBGB a.F. Anwendung. Gemäß Art. 25 Abs. 1 EGBGB wurde das Erbstatut nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes bestimmt. Die Staatsangehörigkeit des Erblassers war nach Art. 5 EGBGB zu bestimmen. Bei Personen, die mehreren Staaten angehören, war das Recht des Staates anzuwenden, mit dem die Person am engsten verbunden war, insbesondere durch ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder durch den Verlauf ihres Lebens. Nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB war aber die deutsche Staatsangehörigkeit vorrangig. Bei der von Art. 25 Abs. 1 EGBGB ausgesprochenen Verweisung handelte es sich gem. Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB um eine Gesamtverweisung, d.h., es wurde auch auf das Internationale Privatrecht desjenigen Staates verwiesen. Rück- und Weiterverweisungen waren zu beachten.
Rz. 3
Deutsches Recht ermöglichte eine Rechtswahl im Hinblick auf das Erbstatut bisher (maßgeblich ist insofern, ob der Erbfall vor oder nach Maßgeblichkeit der europäischen Erbrechtsverordnung – mithin nach dem 17.8.2015 – eingetreten ist, denn für Erbfälle nach dem 17.8.2015 sind gemäß Art. 83 Abs. 1 EuErbVO nur noch die Regelungen der Europäischen Erbrechtsverordnung maßgeblich) nur sehr eingeschränkt. Art. 25 Abs. 2 EGBGB ermöglichte lediglich, dass der Erblasser für im Inland belegenes unbewegliches Vermögen deutsches Recht durch Verfügung von Todes wegen wählt.
B. Gesetzliche Erbfolge
I. Grundsatz der Universalsukzession (Gesamtrechtsnachfolge)
Rz. 4
Das deutsche Erbrecht wird beherrscht vom Grundsatz der Universalsukzession (Gesamtrechtsnachfolge). Gemäß § 1922 BGB geht mit dem Erbfall das Vermögen als Ganzes mit unmittelbarer dinglicher Wirkung auf den oder die Erben über. Die Gesamtrechtsnachfolge erfasst dabei grundsätzlich alle vererblichen Rechte und Verbindlichkeiten. Diese gehen insgesamt und ungeteilt auf den oder die Erben über.
Rz. 5
Als wichtiger Ausnahmefall, in dem eine Sonderrechtsnachfolge zugelassen wird, ist die Rechtsnachfolge im Hinblick auf Beteiligungen an Personengesellschaften zu nennen. Mangels abweichender Regelung wird eine BGB-Gesellschaft durch den Tod eines Gesellschafters aufgelöst (§ 727 BGB). Bei der OHG und KG scheidet der persönlich haftende Gesellschafter mit seinem Ableben aus (§§ 131 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB). Nur beim Versterben eines Kommanditisten wird die Gesellschaft regelmäßig mit dessen Erben fortgeführt (§ 177 HGB). Sieht das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag die Fortsetzung der Gesellschaft mit den Erben vor, so erfolgt der Erwerb des Gesellschaftsanteils auf erbrechtlicher Grundlage, allerdings in der Form einer Sonderrechtsnachfolge. Insbesondere wird bei mehreren Erben die Gesellschaft nicht mit der Erbengemeinschaft fortgesetzt. Vielmehr vollzieht sich die Nachfolge in der Weise, dass die Miterben den Anteil entsprechend ihrer erbrechtlichen Beteiligung am Nachlass unmittelbar geteilt erwerben (Vorrang des Gesellschaftsrechts). Im Gesellschaftsvertrag sollte geregelt werden, ob die Gesellschaft mit den Erben fortgesetzt wird und ob alle oder nur bestimmte Erben zur Nachfolge berechtigt sind (sog. Nachfolge- und Eintrittsklauseln, siehe Rdn 182 ff.).
Rz. 6
Eine Sonderrechtsnachfolge kann sich auch bei der Vererbung landwirtschaftlicher Besitzungen ergeben, soweit in einzelnen Bundesländern besondere höferechtliche Vorschriften anwendbar sind (vgl. Rdn 189). So bestimmen Sonderregelungen für landwirtschaftliche Betriebe (z.B. § 4 HöfeO), dass ein Hof mit dem Erbfall im Wege einer Sondererbfolge unmittelbar einem der Miterben als Hoferben zufällt.