Rz. 58
Zunehmend hinterlassen Erblasser auch in der digitalen Welt Spuren, indem sie E-Mail-Accounts und Mitgliedschaften bei Messengerdiensten sowie in sozialen Netzwerken unterhalten oder auch nur Mobilfunk nutzen. Der Nachlass beschränkt sich also nicht mehr allein auf dingliche Ansprüche und Rechte, sondern es gehört auch die nicht körperlich fassbare virtuelle Welt hierzu. In dieser virtuellen Welt hinterlassen Erblasser reichlich persönliche Daten und Textdateien, aber auch Bild-, Film- und Tonmaterial. Hier wird es nicht selten so sein, dass es in dieser virtuellen Welt Datenmaterial und digitale Informationen gibt, an deren Besitzerlangung durch seine Rechtsnachfolger dem Erblasser nicht unbedingt gelegen ist.
Insoweit Erben den physischen Besitz an Datenträgern, PCs, Tablets, Smartphones, Smart-Home-Installationen oder sogenannten Wearables innehaben bzw. mit Inbesitznahme des Nachlasses erlangen, ergibt sich die "Zugangsberechtigung" vergleichsweise einfach, nämlich auf direktem Weg. Hier könnte allein ein funktionierender Passwortschutz noch Diskretion gewährleisten, falls der Erblasser insoweit vorgesorgt hat und er seine Zugangsdaten nicht doch irgendwo hinterlegt hat.
Geht es hingegen um das schuldrechtliche Nutzungsverhältnis in Bezug auf das zum Nachlass gehörende digitale Material, so haben die Erben grundsätzlich gegenüber Diensteanbietern Anspruch auf eine materielle Zugangsberechtigung zu den gespeicherten Daten des Erblassers. Dies hat der Bundesgerichtshof in einer Grundsatzentscheidung festgestellt.
In einer weiteren Entscheidung hat der BGH konkretisiert, dass die Betreiberin eines sozialen Netzwerks (im entschiedenen Fall: Facebook) den Erben einer Teilnehmerin des Netzwerks die Möglichkeit einräumen muss, vom Facebook-Konto der verstorbenen Teilnehmerin und dessen Inhalt auf dieselbe Weise Kenntnis zu nehmen wie zuvor die Verstorbene selbst und sich in dem Konto auch auf die gleiche Weise zu "bewegen". Ausgenommen hiervon ist lediglich die aktive Kontonutzung.
Vor diesem Hintergrund muss sich ein jeder Erblasser nunmehr auch mit der Frage auseinandersetzen, was mit seinem digitalen Nachlass im Falle der Anordnung einer Testamentsvollstreckung eigentlich geschehen soll. Sollen die Daten bzw. das Datenmaterial sogleich an die Erben gehen oder soll (ggf. auch nur) dieser Teil des Nachlasses dem Zugriff der Erben (befristet oder dauerhaft) entzogen sein?
Erblasser sollten bei Anordnung einer Testamentsvollstreckung den digitalen Nachlass ausdrücklich in ihrer letztwilligen Verfügung erwähnen und auch hierzu Regelungen treffen!
Da der Testamentsvollstrecker nicht die Stellung eines Erben und damit Gesamtrechtsnachfolgers i. S. d. § 1922 BGB innehat, würde ohne Regelung dieser Fragen die absurde Situation eintreten, dass die Erben zwar nicht über den (wirtschaftlich-gegenständlichen) Nachlass, wohl aber über die digitale Hinterlassenschaft des Erblassers frei verfügen könnten. Das dürfte nur in den wenigsten Fällen dem Erblasserwillen entsprechen. Ergo sollte der Erblasser hierzu klare testamentarische Regelungen treffen. Dabei ist es auch denkbar, dass der Erblasser mit guten Gründen die Testamentsvollstreckung ausschließlich für seinen digitalen Nachlass anordnet, etwa weil er nicht wünscht, dass die Erben je hierauf – aus welchen Gründen auch immer – zurückgreifen können.
Anordnung der Testamentsvollstreckung für den digitalen Nachlass
Ich ordne für meinen gesamten digitalen Nachlass Testamentsvollstreckung an. Zum Testamentsvollstrecker bestimme ich ..., wohnhaft ... .
Der Testamentsvollstrecker wird angewiesen, die Abwicklung meiner digitalen Hinterlassenschaft und meines gesamten digitalen Lebensbereichs vorzunehmen. Insbesondere soll der Testamentsvollstrecker die sich aus dem jeweiligen Nutzungsvertrag mit dem jeweiligen Diensteanbieter ergebenden Rechte geltend machen und sämtliche Nutzungsverträge kündigen.
Dem Testamentsvollstrecker wird hiermit die Befugnis erteilt, auf alle meine auf lokalen und fernen Datenträgern (externen Servern und Clouds) sowie im Internet gespeicherten privaten und geschäftlichen Daten zuzugreifen und in alle meine diesbezüglichen Rechtsbeziehungen einzutreten. Insbesondere wird der Testamentsvollstrecker ermächtigt zur Regelung, Abwicklung und Nutzung meines digitalen Lebensbereichs (E-Mail-Accounts, SMS/MMS-Dienste, Messengerdienste, soziale Netzwerke wie beispielsweise Facebook, Instagram, Xing, LinkedIn, Apple-ID, Google u. a.) sowie meines digitalen Vermögens. Er ist insbesondere befugt, alle Zugangsdaten und Passwörter zu nutzen sowie sich neue Passwörter zu geben bzw. Passwörter wiederherstellen zu lassen und alle sich aus dem jeweiligen Nutzungsvertrag ergebenden Rechte geltend zu machen.
Nach Abwicklung aller Vertragsbeziehungen hat der Testamentsvollstrecker die Vertragsunterlagen zu vernichten, alle Accounts zu löschen sowie die noch auf meinen elektronischen Geräten (PC, Tablet, Smartphones und dergleichen) gespeiche...