Kommentar
Bei dem Verfahren war streitig, ob die Verpachtung von Teilen eines landwirtschaftlichen Betriebs, die einen lebensfähigen Betrieb bilden, der Durchschnittssatzbesteuerung nach Artikel 25 der 6. EG-Richtlinie unterliegen kann, wenn der Landwirt die übrigen Wirtschaftsgüter seines Betriebes in der Folgezeit weiterhin für eine landwirtschaftliche Tätigkeit verwendet. Entscheidungserheblich war dabei, wie der Begriff der "landwirtschaftlichen Dienstleistungen" i.S.v. Artikel 25 Abs. 2 in Verbindung mit Anhang B (Liste der landwirtschaftlichen Dienstleistungen) der 6. EG-Richtlinie auszulegen ist.
Nach Artikel 25 Abs. 5 Buchstabe c der 6. EG-Richtlinie ist die in diesem Artikel vorgesehene Pauschalregelung u.a. auf "auf den Preis der landwirtschaftlichen Dienstleistungen …" anzuwenden. Als landwirtschaftliche Dienstleistungen gelten gemäß Artikel 25 Abs. 2 fünfter Gedankenstrich "die in Anhang B aufgeführten Dienstleistungen, die von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte und/oder der normalen Ausrüstung seines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs vorgenommen werden".
Anhang B der 6. EG-Richtlinie ist mit "Liste der landwirtschaftlichen Dienstleistungen" überschrieben. Nach dem Einleitungssatz dieses Anhangs gelten als landwirtschaftliche Dienstleistungen solche, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen. Es folgt eine beispielhafte Aufzählung solcher Dienstleistungen. Vermietungsleistungen, die danach landwirtschaftliche Dienstleistungen sein können, sind lediglich die "Vermietung normalerweise" in land-, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendeter Mittel zu landwirtschaftlichen Zwecken.
Fraglich war somit, ob unter diese Vermietungsleistungen auch die Verpachtung landwirtschaftlicher Grundstücke, Gebäude und Milch-Referenzmengen fallen können. Für den Fall, dass dies nicht in Betracht kommt, war fraglich, ob derartige Verpachtungsleistungen deshalb unter Anhang B der 6. EG-Richtlinie fallen können, weil die dortige Aufzählung nicht abschließend ist.
Der EuGH hat bestätigt, das Artikel 25 der 6. EG-Richtlinie (wie auch die anderen Sonderregelungen in Artikel 24 und 26 der Richtlinie) eng auszulegen sind. Die Durchschnittssatzbesteuerung nach Artikel 25 kommt von daher nicht bereits dann in Betracht, wenn der Unternehmer ein landwirtschaftlicher Erzeuger ist, unabhängig welcher Art seine Geschäfte sind.
Nach den weiteren Entscheidungsgründen fallen Verpachtungsleistungen nicht unter Anhang B der 6. EG-Richtlinie, weil dort nur von Vermietungsleistungen die Rede ist.
Die Vermietungsleistungen können nur dann unter die Durchschnittssatzbesteuerung fallen, wenn sie Mittel betreffen, die der landwirtschaftliche Erzeuger gewöhnlich zum Betrieb seiner eigenen Landwirtschaft verwendet. Daraus folgt, dass die Vermietung, die Verpachtung und die Einräumung eines Nießbrauchs, mit denen der Landwirt die ausschließliche Nutzung von unbeweglichen Sachen, Grundstücken oder Gebäuden einem anderen Landwirt überlässt, damit dieser die Früchte daraus zieht, nicht unter die Durchschnittssatzbesteuerung fallen kann, weil der überlassende Landwirt die betreffenden Güter nicht mehr gewöhnlich (selbst für seinen eigenen Betrieb) verwenden kann. Das Gleiche gilt auch für Fälle langfristiger Vermietungen aller anderen Bestandteile eines landwirtschaftlichen Betriebs, die ausschließlich der Mieter nutzen kann.
Aus dem Urteil folgt, dass Vermietungsleistungen nur dann unter die Durchschnittssatzbesteuerung fallen können, wenn die vermieteten Gegenstände auch weiterhin in dem Betrieb des Vermieters genutzt werden. Damit fallen grundsätzlich nur kurzfristige bzw. vorübergehende Vermietungen (z.B. die kurzfristige Überlassung eines Mähdreschers an einen anderen Landwirt) unter die Pauschalregelung.
Aus dem Urteil folgt insbesondere, dass die Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung auf alle Verpachtungsleistungen nicht angewendet werden kann. Von daher steht insbesondere die Regelung im Abschnitt 264 Abs. 5 Satz 3 UStR 2000 in Frage, wonach - ausgehend von dem BFH-Urteil vom 11.5.1995, V R 4/92, BStBl II 1995, 610 - die Verpachtung einzelner Flächen durch einen Landwirt im Rahmen seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs der Durchschnittssatzbesteuerung unterliegen kann (diese Regelung soll in den UStR 2005 entfallen).
Kläger: Detlev Harbs
Beklagter: Finanzamt Rendsburg
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 15.07.2004, C-321/02