Das Wichtigste in Kürze:

1. Für Verfahrenseinstellungen außerhalb des von § 47 umfassend abgedeckten Opportunitätsbereichs eröffnet § 46 Abs. 1 die in der StPO vorgesehenen klassischen Einstellungsmöglichkeiten.
2. Ist der Betroffene unbekannten Aufenthalts oder aus sonstigen Gründen abwesend, kann die Verfolgungsbehörde das Verfahren gem. §§ 46 Abs. 1 i.V.m. 154 f StPO vorläufig einstellen.
3. Stirbt der Betroffene vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens, ist das gerichtliche Verfahren durch Beschluss gem. §§ 46 Abs. 1 i.V.m. 206a StPO förmlich einzustellen; eine Sachentscheidung ist ausgeschlossen.
4. Für sonstige Verfahrenshindernisse (Eintritt der Verfolgungsverjährung; Unwirksamkeit des Bußgeldbescheids; Strafklageverbrauch) ist das gerichtliche Verfahren durch Beschluss gem. §§ 46 Abs. 1 i.V.m. 206a StPO oder durch Prozessurteil §§ 46 Abs. 1, 71 i.V.m. 260 Abs. 3 StPO förmlich einzustellen. Auch hier ist eine Sachentscheidung ausgeschlossen, aber ebenso ein Verwerfungsurteil.
 

Rdn 1007

 

Literaturhinweise:

Bechtel, Der prozessuale Tatbegriff und seine Bedeutung für die Bestimmung wichtiger Verfahrenshindernisse, JA 2022, 199; Jansen/Hoppen, Strafklageverbrauch, JuS 2021, 1132; Krenberger, Praxistauglichkeit des Bußgeldverfahrens: Reformüberlegungen zu Verjährung und Rechtsbeschwerde, NZV 2020, 393

ders., Das Verfahrenshindernis der entgegenstehenden Rechtskraft im Bußgeld- und Strafrecht, DAR 2017, 192

Meyer-Goßner, Sind Verfahrenshindernisse von Amts wegen zu beachten?, NStZ 2003, 169

S. die Hinw. bei → Einstellung des Verfahrens nach § 47, Opportunitätsgrundsatz und Voraussetzungen, Rdn 1018.

 

Rdn 1008

1. Scheidet eine Verfahrenseinstellung nach § 47 (→ Einstellung des Verfahrens nach § 47, Opportunitätsgrundsatz und Voraussetzungen, Rdn 1018) aus, eröffnet § 46 Abs. 1 für die zuständige Verfolgungsbehörde (Verwaltungsbehörde oder StA) und das Gericht die in der StPO außerhalb der Opportunitätsmaxime vorgesehenen bekannten klassischen Einstellungsmöglichkeiten. Als solche kommen insbesondere in Betracht:

 

Rdn 1009

2. Ist gegen den Betroffenen – etwa nach dem Zweifelsatz in dubio pro reo – ein Tatnachweis nicht zu führen oder steht fest, dass er die ihm zur Last liegende Tat (→ Tatbegriff im Bußgeldverfahren, Rdn 3481) nicht begangen oder er durch das Eingreifen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes gerechtfertigt gehandelt hat, ist für eine Verfahrenseinstellung nach Opportunitätsgesichtspunkten gem. § 47 kein Raum. Das Verfahren muss dann vielmehr durch die Verwaltungsbehörde oder die StA gem. § 46 Abs. 1 i.V.m. § 170 Abs. 2 StPO (bei bereits fehlendem Anfangsverdacht ggf. i.V.m. § 152 Abs. 2 StPO) eingestellt werden (Göhler/Seitz/Bauer, § 47 Rn 22a; Vor § 59 Rn 157 ff.; KK/Mitsch § 47, Rn 101 ff.; BeckOK OWiG/A. Bücherl, § 47 Rn 13; Krenberger/Krumm, § 47 Rn 3). Erfolgt die Verfahrenseinstellung erst nach Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid, verliert der Bußgeldbescheid seine Wirkung (Göhler/Seitz/Bauer, Vor § 59, Rn 161; zur entsprechenden Sachlage bei § 47 vgl. Göhler/Seitz/Bauer, § 47, 30).

 

☆ Sollte das Verfahrenshindernis durch die Behörde übersehen worden sein, hat das Gericht den Betroffenen im Beschlussweg nach § 72 oder durch Urteil freizusprechen , da bei fehlendem Tatnachweis der Freispruch vorrangig zur Verfahrenseinstellung ist (KK-StPO/ Tiemann , § 260 Rn 50a).Gericht den Betroffenen im Beschlussweg nach § 72 oder durch Urteil freizusprechen, da bei fehlendem Tatnachweis der Freispruch vorrangig zur Verfahrenseinstellung ist (KK-StPO/Tiemann, § 260 Rn 50a).

 

Rdn 1010

Bei sonstigen Verfahrenshindernissen ist von der Verwaltungsbehörde und StA entsprechend zu verfahren, da diese von Amts wegen zu berücksichtigen ist. Solche Verfahrenshindernisse sind z.B. der Eintritt von Verfolgungsverjährung (Muster, Rdn 1017; → Verjährung, Allgemeines, Rdn 3851; weitere Einzelh. Burhoff, EV, Rn 1998 ff.), der Grundsatz ne bis in idem (Strafklageverbrauch) oder die Unwirksamkeit des Bußgeldbescheids. Stellt sich das Verfahrenshindernis erst im gerichtlichen Verfahren heraus, erfolgt die gerichtliche Einstellung außerhalb der HV im Beschlusswege gem. § 46 Abs. 1 i.V.m. § 206a StPO oder innerhalb der HV durch Einstellungsurteil gem. § 46 Abs. 1 i.V.m. § 260 Abs. 3 StPO (Burhoff, HV, Rn 1555 ff., 1336 f.).

 

Rdn 1011

In der Praxis ist beim Umgang mit möglichen Verfahrenshindernissen auf eine klare Trennung der Fehlerquellen zu achten. Mängel im Rahmen des § 66 betreffen alleine die Wirksamkeit des Bußgeldbescheides. Gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 3 gehört es zum notwendigen Inhalt des Bußgeldbescheides, dass die Tat bezeichnet wird, die dem Betroffenen zur Last gelegt wird, dazu Zeit und Ort ihrer Begehung. Hierzu gelten die Grundsätze, die der BGH (NJW 1970, 2222) aufgestellt hat: Der Bußgeldbescheid erfüllt seine Abgrenzungsfunktion in sachlicher Hinsicht dann, wenn nach seinem Inhalt kein Zweifel über die Identität der Tat entstehen kann, wenn also zweifelsfrei feststeht, welcher Lebensvorgang erf...

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