Leitsatz
Die Eheleute hatten im Jahre 1990 geheiratet und lebten seit August 2001 voneinander getrennt. Der Ehemann wollte geschieden werden und ließ den Ehescheidungsantrag einreichen. Für die Ehefrau bestand seit dem Jahre 2003 eine Betreuung mit umfassendem Wirkungskreis, unter anderem auch der Wahrnehmung der Interessen im Zusammenhang mit Scheidungs- und Scheidungsfolgeverfahren.
Die Ehefrau beantragte die Zurückweisung des Ehescheidungsantrages mit der Begründung, sie halte die Ehe der Parteien für nicht gescheitert und glaube immer noch fest an die Möglichkeit der Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Aufgrund ihrer starken Depressionen müsse im Übrigen für den Fall der Scheidung in erhöhtem Maß mit einem Suizid gerechnet werden.
Das erstinstanzliche Gericht hat dem Ehescheidungsantrag stattgegeben. Die gegen das Scheidungsurteil von der Ehefrau eingelegte Berufung war erfolgreich.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Auch das OLG ging im Hinblick auf die lange Trennungsdauer der Parteien von 4 Jahren davon aus, dass die Ehe gem. § 1566 Abs. 2 BGB gescheitert sei. Im Hinblick auf die Härteklausel des § 1568 BGB sei eine Scheidung jedoch zurzeit nicht möglich. Nach § 1568 BGB soll eine Ehe trotz ihres Scheiterns nicht geschieden werden, wenn und solange die Scheidung für den Antragsgegner, der sie ablehnt, aufgrund außergewöhnlicher Umstände eine so schwere Härte darstellen würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe auch unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers ausnahmsweise geboten erscheint.
Die Suiziddrohung eines psychisch Kranken ist kein außergewöhnlicher Umstand, solange der Kranke seine seelischen Reaktionen noch steuern kann. Ist allerdings das Steuerungsvermögen erheblich beeinträchtigt, darf die Ehe nicht geschieden werden, bis die ausreichende medizinische Betreuung des Kranken gesichert ist. Dabei ist unerheblich, ob der suizidgefährdete Ehegatte das Scheitern der Ehe verursacht hat (Wolf in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1568 Rz. 49; Palandt/Brudermüller, BGB, 64. Aufl., Rz 5; Staudinger/Rauscher, BGB, 1999, § 1568 Rz. 106 ff.). Die Ehefrau hatte sich seit Ende 2002 in kurzen Abständen mehrfach einer stationären Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus unterziehen müssen. In dem vom FamG eingeholten psychiatrischen Gutachten eines Arztes für Neurologie und Psychiatrie hatte der Sachverständige ausgeführt, dass die Ehefrau aufgrund ihres derzeitigen gesundheitlichen Zustandes im Falle der Scheidung konkret suizidgefährdet sei. Es bestehe bei ihr eine erhöhte, wenn auch gegenwärtig nicht akute Suizidgefährdung. Allerdings sei mit Sicherheit anzunehmen, dass zum Zeitpunkt der vollzogenen Ehescheidung mit einer Aktualisierung und Vertiefung der depressiven Symptomatik zu rechnen sei. Die Wahrscheinlichkeit eines Suizidversuchs sei in diesem Fall als hoch einzuschätzen. Die Ehefrau sei mangels Einsicht in das Scheitern der Ehe sowie aufgrund ihrer starken Depressionen i.V.m. einer Persönlichkeitsstörung für den Fall der Scheidung der Ehe ohne ihr Einverständnis konkret suizidgefährdet.
Das OLG vertrat die Auffassung, dass dem Ehemann im Hinblick auf die Suizidgefahr Schutzpflichten gegenüber der Ehefrau obliegen, die gem. § 1353 BGB aus der Ehe herrühren. Eine solche Schutzpflicht bestehe auch dahin, dass der Ehemann sich bemühen müsse, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Ehefrau im Falle einer Scheidung ärztlich betreut wird. Dieser Schutz sei jedoch bislang nicht gewährleistet, auch im Hinblick hierauf hielt das OLG den Fortbestand der Ehe für den Ehemann für nicht unzumutbar. Dies gelte auch im Hinblick auf die Dauer der bisherigen Trennung der Parteien, das Lebensalter des Ehemannes und seinen Wunsch, seine Lebensgefährtin zu heiraten. Im vorliegen Fall sei es dem Ehemann aufgrund der noch bestehenden ehelichen Bindung zuzumuten, alles ihm Mögliche zu unternehmen, um Gefahren für das Leben und die Gesundheit der Antragsgegnerin möglichst auszuschließen. Hierzu hätte nach Auffassung des OLG auch gehört, dass er beim VormG Maßnahmen zum Schutz der Ehefrau beantragt.
Link zur Entscheidung
Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 21.12.2005, 15 UF 85/05