1 Leitsatz
Es ist rechtsmissbräuchlich, wenn eine Aktiengesellschaft (AG) einen 5/100 Miteigentumsanteil an einem Wohnungseigentum an eine Tochter eines Vorstands verschenkt, um auf diese Weise einen Eigenbedarf begründen zu können.
2 Normenkette
§§ 573 Abs. 2 Nr. 2, 577a BGB
3 Das Problem
K1 ist eine Aktiengesellschaft, K2 ist die Tochter eines Vorstands. Dieser ist Mehrheitsgesellschafter der K1. Die Anteile an der K1 werden ganz überwiegend von einer Familie "P" gehalten, der auch K2 und ihr Vater angehören. K1 erwirbt im Jahr 2015 ein Wohnungseigentum. Eine erste Kündigung gegenüber dem Mieter B begründet sie bereits kurz nach ihrer Grundbucheintragung mit dem Wunsch eines Vorstands, selbst in die 2 ½-Zimmerwohnung einziehen zu wollen. Nach Rücknahme der hierauf gestützten ersten Räumungsklage überträgt K1 einen 5/100 Miteigentumsanteil an dem Wohnungseigentum schenkweise der gerade volljährig gewordenen K2, um auf diese Weise – entsprechend anwaltlicher Beratung – eine Kündigungsmöglichkeit wegen Eigenbedarfs zu schaffen. Nach Eintragung der K2 im Grundbuch erklären K1 und K2 erneut die Kündigung – jetzt wegen Eigenbedarfs der K2. AG und LG meinen, die Eigenbedarfskündigung sei unter Würdigung der Gesamtumstände rechtsmissbräuchlich. Mit der vom LG zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihr Klagebegehren weiter.
4 Die Entscheidung
Ohne Erfolg! Die Revision habe keine Aussicht auf Erfolg. Denn das LG habe die Klage mit Rücksicht auf ein den Klägerinnen zur Last fallendes rechtsmissbräuchliches Verhalten rechtsfehlerfrei abgewiesen. Die Vorgehensweise der Klägerinnen habe sich dadurch ausgezeichnet, dass der K2 mit der schenkweisen Übertragung eines 5/100 Miteigentumsanteils formal eine "minimale" Miteigentümerstellung und Mitvermieterstellung verschafft worden sei. Damit habe man ersichtlich nur das Ziel verfolgt, eine der K1 als juristischer Person nicht mögliche Eigenbedarfskündigung zugunsten der Tochter eines Vorstands zu verwirklichen, ohne dass mit der Übertragung eine nennenswerte Änderung der Eigentums- bzw. der wirtschaftlichen Verhältnisse an der Immobilie verbunden gewesen sei.
5 Hinweis
- Erwirbt man ein vermietetes Wohnungseigentum, hat der Vermieter nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietvertrags, wenn er die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Juristische Personen haben danach kein Kündigungsrecht nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Die Räumlichkeiten können von ihnen schon nicht als "Wohnung" genutzt werden (BGH, Urteil v. 14.12.2016, VIII ZR 232/15, NJW 2017 S. 547 Rn. 17). Es genügt auch nicht, wenn ein Gesellschafter, ein gesetzlicher Vertreter oder ein Angestellter der juristischen Person die Räume nutzen will. Denn diese Personen sind weder der Vermieter noch Angehörige des Vermieters.
- Anders ist es bei der GbR (BGH, Urteil v. 14.12.2016, VIII ZR 232/15, NJW 2017 S. 547 Rn. 16). Bei dieser kann § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB entsprechend angewendet werden (dies überzeugt allerdings nicht). Ist der Vermieter eine Vermietergemeinschaft gilt auch etwas anderes. Denn bei mehreren Vermietern genügt es, wenn die Räume von einem der Vermieter genutzt werden sollen. Aus diesem Grund hatte K1 der K2 einen Teil ihres Miteigentumsanteils schenkweise übertragen. Diese wurde damit Miteigentümerin und Mitvermieterin und konnte sich daher auf Eigenbedarf berufen. AG, LG und BGH meinen, dass K1 und K2 mit diesem Trick nicht durchkommen dürfen. Dem ist zuzustimmen.
Schutz des Mieters: Die 4-Wege-Strategie des Bundes
Um den Mieter vor den Folgen einer Begründung von Wohnungseigentum oder vor einer Begründung von Wohnungseigentum zu schützen, hat der Bundesgesetzgeber mehrere Wege umgesetzt. 2 finden sich im BGB und 2 im BauGB. Überblick:
- § 577 BGB. Werden vermietete Wohnräume, an denen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist oder begründet werden soll, an einen Dritten verkauft, so ist der Mieter zum Vorkauf berechtigt. Dies gilt aber nicht, wenn der Vermieter die Wohnräume an einen Familienangehörigen oder an einen Angehörigen seines Haushalts verkauft.
- § 577a BGB. Ist an vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden, so kann sich ein Erwerber auf berechtigte Interessen i. S. d. § 573 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 BGB erst nach Ablauf von 3 Jahren seit der Veräußerung berufen. Dies gilt auch dann, wenn vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter an eine Personengesellschaft oder an mehrere Erwerber veräußert worden oder zugunsten einer Personengesellschaft oder mehrerer Erwerber mit einem Recht belastet worden ist, durch dessen Ausübung dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch entzogen wird. Die Gegenausnahme ist, wenn die Gesellschafter oder Erwerber derselben Familie oder demselben Haushalt angehören oder vor Überlassung des Wohnraums an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist. Die Frist beträgt bis zu 10 Jahre, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung...