Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 21 Abs. 3 und Abs. 5 Nr. 2 WEG, § 22 Abs. 1 S. 1 WEG
Kommentar
1. In einer terrassenförmig gestalteten Wohnanlage befanden sich auf der Dachterrasse im Randbereich zahlreiche große, schwere, gelb lackierte Spieltonnen zur Abgrenzung eines dort ursprünglich im Rahmen einer behördlichen Auflage errichteten Kinderspielplatzes. Nachdem ein Sachverständigengutachten zum Ergebnis gekommen war, dass wegen der "gravierenden Absturzgefahr mit extremen Fallhöhen" ein Spielbereich auf der Dachterrasse nicht aufrechterhalten werden könne, beschlossen die Eigentümer mehrheitlich, die auf der Dachterrasse abgestellten Tonnen zu entfernen und auch gleichzeitig den Spielplatz zu verlegen. Der Antragsteller mit einer Terrassenwohnung unterhalb der Dachterrasse beantragte die Ungültigkeit des Eigentümerbeschlusses, da es sich seiner Meinung nach insoweit um eine bauliche Veränderung des ursprünglichen Zustands des Gemeinschaftseigentums handle, die Tonnen als architektonisch geschütztes Stil- und Gestaltungsmittel auch den Sichtschutz zu seiner Terrassenwohnung beträfen und der Spielplatz ohnehin von oben in den Garten verlegt worden sei.
Die Anfechtung wurde in allen Instanzen zurückgewiesen.
2. Das Interesse des Antragstellers, dass die Tonnen als Sichtschutz für seine darunterliegende Terrasse an ihrer jetzigen Stelle verbleiben müssten, müsse hinter den Sicherheitsinteressen (Spielbereich auf der Dachterrasse) zurücktreten. Durch eine bloße "Umwidmung" zum reinen Sichtschutz werde die Gefahrenquelle auch nicht beseitigt. Ein Sichtschutz für die Terrasse des Antragstellers könne auch auf andere Weise erreicht werden. Auch ein etwaiger optisch-ästhetischer Aspekt der Spieltonnen müsse gegenüber den genannten Sicherheitserwägungen zurücktreten. Die beschlossene Entfernung sei deshalb eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung, insbesondere ordnungsgemäßer Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums (Abwehr einer konkreten Gefahr für Leib und Leben von Kindern, die auf der Dachterrasse spielen wollten), vgl. auch BayObLG, WM 93, 207. Sinngemäß sei dem Beschluss des LG auch zu entnehmen, dass die Spieltonnen als fortdauernde, auf andere Weise wirksam nicht zu beseitigende Gefahrenquelle angesehen werden müssten, selbst wenn die Dachterrasse als offizieller Spielbereich für Kinder nicht mehr zugelassen sei; Rechtsfehler dieses Ergebnisses seien nicht ersichtlich. Ein Antragsteller könne hier nicht seine Wertung an die Stelle derjenigen des LG setzen. Die behauptete Sichtschutzfunktion könne deshalb auch offen bleiben. Selbst wenn behauptet wurde, dass durch die Spieltonnen auch hätte verhindert werden sollen, dass Kinder an der gefährlichen Brüstung der Dachterrasse spielen, ist dem entgegenzuhalten, dass es im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung vorzuziehen sei, die Spieltonnen zu beseitigen, damit Kinder überhaupt erst gar nicht angezogen und zum Spielen auf der Dachterrasse verleitet werden. Im Übrigen würden die Spieltonnen die Brüstung nicht ingesamt abdecken. Selbst als architektonisches Mittel einer "modernen" Gebäudegestaltung müsste ein solcher Zweck hinter dem aufgezeigten Sicherheitsbedürfnis zurücktreten.
3. Auch außergerichtliche Kostenerstattung im Rechtsbeschwerdeverfahren bei Geschäftswert des Streits über die Entfernung der Spieltonnen in allen drei Instanzen von 10.000 DM.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 19.08.1999, 2Z BR 31/99)
Zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Wurde der Spielbereich von der Dachterrasse - wie hier - durch bestandskräftigen Beschluss in den Gartenbereich verlegt (zur Beendigung einer möglichen Gefahrenlage für Kinder), hätte sich m.E. auch ein anderes Wertungsergebnis in den Tatsacheninstanzen begründen lassen und aufdrängen müssen, so z.B. auch über beschlossene Nutzungsverbote eines Kinderspiels nach wie vor auf dieser Terrasse (als geringe Maßnahme gegenüber einschneidender baulicher Veränderungsmaßnahme ursprünglicher architektonischer, im übrigen behördlich genehmigter Maßnahmen). Man hätte auch vor den Tonnen eine weitergehende Sicherheitsbarriere (Zaun o.ä.) schaffen können, um hier jegliche Risiken für Kinder auszuschließen. Gefahren für Kinder gibt es in einer Wohnanlage i.ü. stets sehr viele. Durch Beschluss und bauliche Umgestaltungen kann hier nicht jedes "Kinderrisiko" ausgeschlossen werden; in solchen Fällen ist auch die elterliche Aufsichtspflicht gefordert. Andernfalls dürften auch öffentliche Baugenehmigungsbehörden solche architektonischen Gestaltungsmaßnahmen wie hier und in Gefahrenbereichen angelegte Spielplätze gar nicht erst genehmigen.
Dass hier sicher teure Bestandteile des Gemeinschaftseigentums (vielleicht sogar mit architektonisch-künstlerischem Wert) nachträglich allein durch Mehrheitsbeschluss "vernichtet" werden durften (auch nach Spielplatzverlegung in den Garten aus verständlichen Sicherheitsgründen!) - ganz abgesehen von behaupteter Sichtschutzbeseitigung von und zu einer nach wie vor offen...