Leitsatz
Nach rechtskräftiger Scheidung wurde von der geschiedenen Ehefrau ein isoliertes Sorgerechtsverfahren eingeleitet. Ihrem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wurde nur eingeschränkt stattgegeben.
Sachverhalt
Die Ehe der Parteien war durch Urteil des Familiengerichts vom 22.7.2004 geschieden worden. Im Scheidungsverfahren war der Ehefrau Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt worden.
Nach Abschluss des Scheidungsverfahrens reichte sie nicht einmal zwei Monate später - Anfang September 2004 - einen Antrag auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für die beiden aus der Ehe hervorgegangenen minderjähriger Kinder der Parteien ein. Zur Begründung trug sie vor, der geschiedene Ehemann werde dem Sorgerechtsantrag zustimmen.
Ihrem Antrag auf Prozesskostenhilfe für das isolierte Sorgerechtsverfahren wurde mit der Einschränkung stattgegeben, dass von der Staatskasse nur diejenigen Kosten zu erstatten sind, die der geschiedenen Ehefrau angefallen wären, wenn über den Sorgerechtsantrag im Scheidungsverbund bei einem Gegenstandswert in Höhe von 900,00 EUR entschieden worden wäre.
Gegen diesen Beschluss hat die geschiedene Ehefrau Beschwerde eingelegt, der das Familiengericht nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt hat.
Die Beschwerde blieb ohne Erfolg.
Entscheidung
Das OLG teilte die Auffassung des Familiengerichts, wonach die Einreichung des isolierten Sorgerechtsantrages mutwillig i.S.v. § 114 ZPO war, da die geschiedene Ehefrau die angestrebte Sorgerechtsregelung wesentlich kostengünstiger im Verbund hätte geltend machen können.
Sie stützt ihren Antrag primär darauf, dass der geschiedene Ehemann diesem zustimmt. Diese Zustimmung lag nach ihrem eigenen Vortrag bereits im Frühjahr 2004 vor, einer früheren Einreichung des Sorgerechtsantrages noch im Verbundverfahren hätte nach Auffassung des OLG nichts entgegen gestanden. Die geschiedene Ehefrau hat nach Auffassung des OLG damit von zwei prozessual gleichwertigen Wegen denjenigen gewählt, der höhere Kosten verursacht. Eine verständige, nicht hilfebedürfte Partei hätte den Sorgerechtsantrag im Scheidungsverfahren eingereicht.
Hinweis
Ob die isolierte Geltendmachung von Scheidungsfolgesachen mutwillig i.S.d. § 114 ZPO ist und der Bewilligung von PKH entgegensteht, wird in Rechtsprechung und Schrifttum nicht einheitlich beantwortet.
Die - noch - überwiegende Auffassung geht davon aus, Mutwilligkeit liege dann vor, wenn nicht im Einzelfall vernünftige, nachvollziehbare Gründe für die isolierte Geltendmachung der Folgesachen sprächen. Eine bedürftige Partei sei gehalten, von zwei gleichwertigen prozessualen Möglichkeiten der Rechtsverfolgung die kostengünstigere zu wählen. Die Geltendmachung von Folgesachen im Verbundverfahren verursache insgesamt geringere Kosten, weil die Gebühren gem. §§ 46 Abs. 1 S. 1 GKG, 16 Nr. 4 RVG nach den zusammengerechneten Werten der Scheidungssache und der Folgesache berechnet würden (vgl. BGH, Beschl. v. 10.3.2005 - XII ZB 20/04 in FamRZ 2005, S. 786 ff. m.w.N.).
Dabei wird teilweise davon ausgegangen, dass von der Bewilligung der PKH nur die Mehrkosten auszunehmen seien, die sich bei vergleichender Gegenüberstellung isolierter Rechtsverfolgung zur Geltendmachung im Verbundverfahren ergäben (vgl. BGH a.a.O.).
Nach der Gegenmeinung ist isolierte Geltendmachung einer Folgesache grundsätzlich nicht als mutwillig zu bewerten (vgl. BGH a.a.O.).
Dieser Auffassung folgt auch der BGH in seinem Beschluss vom 10.3.2005 zum Aktenzeichen XII ZB 20/04. Danach trifft es zwar zu, dass aufgrund der Streitwertaddition und des degressiven Anstiegs der Gebühren im Verbundverfahren insgesamt geringere Kosten entstehen, als bei isolierter Geltendmachung von Folgesachen. Für die Beurteilung der Mutwilligkeit kommt es nicht auf die insgesamt anfallenden Kosten, sondern darauf an, ob eine nicht bedürftige Partei aus Kostengesichtspunkten von einer isolierten Geltendmachung der Folgesache in der Regel absehen würde. Eine kostenbewusste vermögende Partei würde in erster Linie auf die allein sie treffenden Kosten abstellen. Dieses Kriterium muss auch für die Prüfung der Mutwilligkeit gelten. Es kann dann nicht davon ausgegangen werden, dass im Rahmen des Scheidungsverbundes geringere Kosten entstehen würden. Während nämlich die obsiegende Partei der isoliert geltend gemachten Folgesache einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Gegner erlangt, werden die Kosten der Folgesachen im Regelfall gegeneinander aufgehoben. Außerdem ist nach Auffassung des BGH zu berücksichtigen, dass Art. 3 I GG i.V.m. dem Rechtsstaatgrundsatz eine weitgehende Angleichung der Situation von Bedürftigen und Nichtbedürftigen bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes gebietet.
Link zur Entscheidung
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.10.2005, 5 WF 175/05