Die gemeinsame elterliche Sorge wird vom Familiengericht daher dann angeordnet, wenn

  • die Kindesmutter dem Antrag zustimmt,
  • die Kindesmutter dem Antrag nicht widerspricht, insbesondere also gar nicht Stellung nimmt,
  • die Kindesmutter in ihrer Stellungnahme Gründe vorträgt, die keine Bedeutung für die Kindeswohlprüfung darstellen oder
  • dem Familiengericht auch sonst Gründe nicht ersichtlich sind, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, § 1626a Abs. 2 Satz 2 BGB.[1]
  • Hinweis für die Praxis: Sofern die Kindesmutter darlegen will, dass die Übertragung dem Kindeswohl widerspricht (§ 1626a Abs. 2 Satz 1 BGB), ist differenzierter Tatsachenvortrag erforderlich. Dieser muss das Kindeswohl berühren.

Nicht ausreichend ist folgende Argumentation:

Der Wunsch der Mutter, auch zukünftig allein entscheiden zu wollen, weil

  • sie verstehe sich mit dem Kindesvater nicht gut.
  • das gemeinsame Sorgerecht sei nicht notwendig, weil vorläufig keine wichtigen Entscheidungen zu treffen seien.
  • sie wolle (vielleicht) auswandern/in eine entfernte Stadt ziehen, was sie bei gemeinsamer elterlicher Sorge nicht ohne weiteres könne.

Notwendig ist die Schilderung konkreter Schwierigkeiten und/oder unüberbrückbarer und dem Kindeswohl schädlicher Konflikte, die eine alleinige elterliche Sorge rechtfertigen. Es ist daher erheblich mehr erforderlich, als allgemein auf fehlende Kooperationsfähigkeit oder -bereitschaft hinzuweisen.

Es ist konkret am Einzelfall darzulegen,

  • bei welchem Anlass und auf welche Weise Bemühungen um gemeinsame Kooperation stattgefunden haben;
  • dass und inwieweit Bemühungen an der Verweigerungshaltung des anderen Elternteils gescheitert sind;
  • inwieweit durch die mangelnde Einigungsfähigkeit die Entwicklung und das Wohl des Kindes beeinträchtigt sind.

Ausreichend ist allerdings auch eine unüberbrückbare, für jeden Dritten nachvollziehbare Abneigung der Kindesmutter gegenüber dem Kindesvater etwa in Fällen, in denen die biologische Vaterschaft auf Vergewaltigung der Mutter beruht. Ausreichend ist in diesem Zusammenhang aber auch strafbares Verhalten gegenüber Dritten namentlich der Kindesmutter nahestehenden Dritten, die zu einer berechtigt fehlenden Kooperationsbereitschaft und Kooperationsfähigkeit der Kindesmutter führen.

Auch erhebliche Kommunikationsstörungen rechtfertigen die Ablehnung gemeinsamer elterlicher Sorge.[2]

Die Rechtsprechung fordert insgesamt ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen den leiblichen Eltern insbesondere, so das OLG Frankfurt/M.[3], bei den wesentlichen Erziehungsfragen, die sich am Kindeswohl auszurichten hat. Dies erfordert nach einem Beschluss des OLG Stuttgart[4] auch eine grundsätzliche Konsensfähigkeit und -bereitschaft. Von einer solchen könne kaum ausgegangen werden, "wenn mehrfach eine Einigung über eine Umgangsregelung nicht ohne gerichtliche Entscheidung möglich ist."

Auch das OLG Karlsruhe[5] widerspricht der gemeinsamen elterlichen Sorge, wenn anhand konkreter Fragen festgestellt werden kann, dass "Bemühungen um eine gemeinsame Elternentscheidung stattgefunden haben und erfolglos geblieben sind und in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben werden."

"Schwerwiegende und nachhaltige Störungen" auf der Kommunikationsebene, so das Kammergericht[6], verhindern ebenso die Einrichtung einer gemeinsamen elterlichen Sorge. Dies würde das Kind stark belasten, so das Gericht. Die extrem hohe Zahl seiner der vom Vater angestrengten Gerichtsverfahren und der Eindruck eines "stalking", so das Gericht, seien u. a. Indiz für eine solche Störung.

Nach dem Beschluss des OLG Koblenz[7] würde eine gemeinsame elterliche Sorge der nicht miteinander verheirateten Eltern dem Kindeswohl widersprechen, weil der Vater, der zu keinem Zeitpunkt mit Mutter oder Kind zusammengelebt hatte, keine Bindungen zu dem Kind habe. Dies zeige sich an seinen mehrfachen Äußerungen, dass er das Kind zur Adoption freigeben möchte, daran, dass er seit mehr als einem Jahr die Umgangstermine nicht wahrgenommen habe, und an seiner Auffassung, das Kind bedürfe aufgrund seines jungen Alters seiner persönlichen Zuwendung nicht.

Ausreichend sind insgesamt konkrete Anhaltspunkte, aus denen sich ergibt, dass eine tragfähige Basis für eine gemeinsame elterliche Sorge nicht besteht und Bemühungen der Eltern um eine gelingende Kommunikation gescheitert sind.[8] Ergeben die konkreten Anhaltspunkte, so der BGH, dass sich daraus die Möglichkeit ergibt, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl widerspricht, ist die gemeinsame elterliche Sorge nicht anzuordnen.[9]

Das Bestehen gewachsener Bindungen zwischen dem Vater und dem Kind, etwa bei (früherem) Zusammenleben kann zur Anordnung gemeinsamer elterlicher Sorge führen.[10]

Dasselbe gilt im Falle eines entsprechenden Wunsches des insoweit beurteilungsfähigen Kindes, etwa im Alter ab 11 – 12 Jahren.[11]

Zu prüfen sind die folgenden Fallgruppen:[12]

  1. Kooperationsfähigkeit der Eltern
  2. Kommunikationsfähigkeit der Eltern
  3. Kindeswille und Kindeswunsch
  4. Dauer de...

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