Leitsatz
Aus der im Januar 2009 rechtskräftig geschiedenen Ehe der Kindeseltern war eine im November 1995 geborene Tochter und ein im November 2004 geborener Sohn hervorgegangen. Beide Kinder lebten seit der Trennung der Eltern im April 2008 bei ihrer Mutter.
Der Kindesvater verbüßte eine Freiheitsstrafe von 4 Jahren wegen zum Nachteil der Mutter am 18.4.2008 versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.
In dem vom Scheidungsverbund abgetrennten Sorgerechtsverfahren hat die Kindesmutter erstinstanzlich die Übertragung der elterlichen Alleinsorge für beide Kinder beansprucht. Der Vater hat dem für den Teilbereich Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitsfürsorge zugestimmt und im Übrigen Zurückweisung des Antrages begehrt. Das FamG hat der Antragstellerin die elterliche Sorge für beide Kinder übertragen, nachdem es zuvor die Kinder und die Eltern persönlich angehört und das Jugendamt beteiligt hatte.
Hiergegen richtete sich die Beschwerde des Kindesvaters, der nach wie vor nur bereit war, auf die Teilbereiche Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitsfürsorge zu verzichten.
Sein Rechtsmittel erwies sich als unbegründet.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG teilte die Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, wonach die dort getroffene Regelung dem Wohl der betroffenen Kinder am besten entspreche. Entgegen der Ansicht des Vaters könne die gemeinsame elterliche Sorge auch nicht in Teilbereichen aufrechterhalten werden.
Insbesondere in Fällen, in denen die Voraussetzungen für eine gemeinsame Wahrnehmung der Sorge fehlten, bedürfe das Elternrecht der gesetzlichen Ausgestaltung. Dem diene § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB, der bestimme, dass einem Elternteil auf Antrag die elterliche Sorge allein zu übertragen sei, wenn zu erwarten sei, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den antragstellenden Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspreche. Hierbei sei es von der Verfassung nicht geboten, der gemeinsamen Sorge ggü. der alleinigen Sorge einen Vorrang einzuräumen; ein solcher finde sich auch nicht in der Regelung des § 1671 BGB wieder.
Nicht jede Spannung oder Streitigkeit zwischen den Eltern schließe die gemeinsame Wahrnehmung des Sorgerechts aus. Vielmehr komme es darauf an, welche Auswirkungen eine fehlende Einigung bei der Gesamtbeurteilung der Verhältnisse auf die Entwicklung und das Wohl des Kindes haben werde.
Die bloße Pflicht zur Konsensfindung könne indessen eine tatsächlich nicht bestehende Verständigungsmöglichkeit nicht ersetzen. Nicht schon das Bestehen der Pflicht allein sei dem Kindeswohl dienlich, sondern die erst die tatsächliche Pflichterfüllung, die sich in der Realität allerdings nicht verordnen lassen. Nach diesen Maßstäben sei die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge hier angezeigt.
Die Antragstellerin sehe sich aufgrund des am 18.4.2008 erlittenen Angriffs des Antragsgegners auf ihr Leben außerstande, Kontakt mit ihm aufzunehmen und die gemeinsame elterliche Sorge weiter mit ihm auszuüben. Dafür habe er sie zu sehr verletzt. Sie wolle mit ihm nichts mehr zu tun haben und könne sich nicht vorstellen, mit ihm über irgendwelche Angelegenheiten der Kinder zu sprechen, zumal der Sohn bei der gegen sie gerichteten Tat anwesend gewesen sei.
Diese Haltung der Antragstellerin sei vor dem Hintergrund der Umstände des Versuchs des Antragsgegners, sie zu töten, leicht nachvollziehbar.
Hinzukomme, dass beide Kinder sich in ihrer richterlichen Anhörung dem Vater ggü. sehr ablehnend gezeigt hätten und durch die Tat ihres Vaters seelisch beeinträchtigt worden seien.
Beide Kinder hätten zu erkennen gegeben, dass sie ihren Vater ablehnten und wollten, dass ihre Mutter sich um sie kümmere. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stehe der vom erstinstanzlichen Gericht getroffenen Regelung nicht entgegen. Zwar sei die lediglich teilweise Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge ggü. der völligen Aufhebung ein milderer Eingriff in das grundrechtlich geschützte Mitsorgerecht des Vaters. Indessen entspreche die Teilaufhebung vorliegend deutlich weniger dem Kindeswohl als die vollständige. Bei einer nur Teilaufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge bliebe die Kindesmutter - kindeswohlwidrig - dazu gezwungen, mit dem Vater in Kontakt zu treten. Es stünde dann konkret zu besorgen, dass sich die Ängste und seelischen Beeinträchtigungen der Mutter unmittelbar auf die Kinder übertrügen.
Link zur Entscheidung
Saarländisches OLG, Beschluss vom 26.08.2009, 6 UF 68/09