Leitsatz
Gegenstand des Verfahrens war das Begehren der Kindesmutter auf Übertragung der elterlichen Sorge für den gemeinsamen Sohn der Beteiligten auf sie unter Hinweis auf die von ihr seit längerer Zeit geplante Auswanderung nach Kanada. Die Betreuung und Versorgung des Sohnes war seit der Trennung der Eltern primär von ihr übernommen worden.
Sachverhalt
Das AG hatte die Ehe der Beteiligten geschieden, den Sorgerechtsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen und es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge beider Eltern für das betroffene Kind belassen.
Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit der Beschwerde und verfolgte mit ihrem Rechtsmittel ihren Antrag auf Übertragung der Alleinsorge weiter.
Zur Begründung verwies sie auf die von ihr seit längerer Zeit geplante Auswanderung nach Kanada, an der der Antragsgegner ursprünglich - vor der Trennung der Beteiligten - auch habe teilnehmen wollen. Die Auswanderung der gesamten Familie einschließlich ihrer Eltern sei seit langer Zeit geplant und vorbereitet.
Die Familie ihrer Schwester lebe bereits in Kanada und habe dort ein Haus gebaut, in dem auch sie gemeinsam mit dem Kind Unterkunft finden werde. Sie habe auch schon eine Arbeitsstelle und werde dem Antragsgegner einen Umgang mit dem Kind ermöglichen, wenn er besuchsweise nach Kanada komme.
Die Antragstellerin hat beantragt, unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung die elterliche Sorge auf sie allein zu übertragen.
Ihr Rechtsmittel hatte Erfolg.
Entscheidung
Das OLG hielt die Beschwerde für begründet.
Nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB sei die elterliche Sorge allein der Antragstellerin zu übertragen, weil dies dem Wohl des Kindes am besten entspreche.
Dies ergebe sich bei einer umfassenden Würdigung der entsprechend der Rechtsprechung des BGH zu beachtenden Gesichtspunkte des Kindeswohls unter Berücksichtigung der durch Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG gewährleisteten Elternrechte beider Elternteile.
Dabei sei zu beachten, dass die Auswanderungsabsicht der Antragstellerin nicht zur Disposition der familiengerichtlich zu treffenden Entscheidung stehe, sondern im Rahmen der Gesamtabwägung zu beurteilen sei, ob die Auswanderung mit der Antragstellerin oder der Verbleib im Inland beim Antragsgegner die für das Kindeswohl bessere Lösung sei.
Vorliegend sei dem Grundsatz der Betreuungs- und Bindungs-Kontinuität in Bezug auf die Mutter für das noch nicht zwei Jahre alte Kind ein hoher und letztendlich entscheidender Stellenwert beizumessen. Auch der Antragsgegner habe sich - abgesehen von der Auswanderungsabsicht - für einen Verbleib des Kindes bei der Mutter ausgesprochen, so dass es letztendlich keinen Zweifel daran geben könne, dass ein Verbleib bei der Mutter die bessere Lösung für das Kind sei.
Hier sei natürlich auch berücksichtigt worden, dass mit der Auswanderung nach Kanada jedenfalls das sowohl im Interesse des Kindes als auch des Vaters bestehende Umgangsrecht in erheblichem Maße beeinträchtigt zu werden drohe. Insoweit bleibe derzeit lediglich der Appell an den guten Willen der Eltern, eine konkrete Lösung für die Fortsetzung des Umgangs zu erarbeiten.
Bei einer Gesamtabwägung müsse aber die Beeinträchtigung des Umgangsrechts des Vaters in Kauf genommen werden, weil der alternativ drohende Beziehungsabbruch zur Mutter, die das Kind bislang vorwiegend betreut habe, mit einer erheblich gravierenderen Beeinträchtigung des Kindeswohls verbunden sein würde.
Hinzukomme, dass für die auswandernde Teilfamilie und damit auch für das Kind eine Verbesserung der Lebensumstände zu erwarten sei. Die Auswanderung sei seit längerer Zeit vorbereitet, sie erfolge im Familienverband der mütterlichen Familie. Auch der Antragsgegner habe während des Zusammenlebens mit der Antragstellerin einen Einwanderungsantrag gestellt, der von den kanadischen Behörden allerdings abgelehnt worden sei.
Die Antragstellerin beziehe zurzeit lediglich Sozialhilfeleistungen, während sie in Kanada bereits einen Arbeitsvertrag unterzeichnet und einen solchen auch vorgelegt habe, der ein eigenes Einkommen sichere.
Im Hinblick auf die Gesamtumstände sei die vollständige Übertragung der elterlichen Sorge auf die Kindesmutter geboten.
Link zur Entscheidung
OLG Köln, Beschluss vom 27.07.2010, 14 UF 80/10