Leitsatz
Rotter
Getrennt lebende Eltern stritten sich um die elterliche Sorge für ihren gemeinsamen im Jahre 1999 geborenen Sohn, der seinen Lebensmittelpunkt seit mehr als 2½ Jahren in dem Haushalt seiner Mutter hatte. Sie begehrte die Übertragung der elterlichen Sorge für den Sohn auf sich, der Vater stellte widerstreitende Anträge und begehrte ebenfalls die elterliche Sorge.
Das AG übertrug der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht und stützte seine Entscheidung auf die fehlende Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit der Eltern und die deshalb fehlende Möglichkeit der Verständigung über sorgerechtliche Angelegenheiten.
Der Vater, dessen Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge zurückgewiesen wurde, legte gegen die erstinstanzliche Entscheidung Beschwerde ein, die teilweise erfolgreich war.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG hielt die Beschwerde des Vaters insoweit für begründet, als ihm über das Aufenthaltsbestimmungsrecht hinaus die elterliche Sorge entzogen worden war.
Im Ergebnis zu Recht habe das AG den Antrag des Vaters, ihm das alleinige Sorgerecht zu übertragen, abgelehnt. Dem Kindeswohl entspreche es am besten, das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter zu übertragen. Ein Verbleib des Kindes bei ihr sei eher als ein Wechsel zum Vater geeignet, dem Sohn die Stabilität und Sicherheit zu geben, die er für seine weiterhin günstige Entwicklung seiner Persönlichkeit unabweisbar benötige. Zweifel an der Erziehungsgeeignetheit des Vaters beständen allerdings nicht. Seine Art des Umgangs mit dem Sohn sei dem der Mutter in Teilbereichen sogar überlegen. Er sei nach den Beobachtungen der Sachverständigen in der Lage, durch zugleich liebevolle und konsequente Hinwendung das Kind auf zu lösende Aufgaben hinzulenken und zu motivieren, die Aufgaben zu Ende zu führen. Dies gelinge der Mutter, die einen von der Sachverständigen als eher derb-draufgängerisch beschriebenen Umgang mit dem Jungen pflege, weniger gut. Hieraus könne jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass nicht auch sie alles unternehme, um das Kind bestmöglich zu fordern. Ihr sei es in erster Linie zu verdanken, dass der Jungen mit wachsendem Erfolg eine Sprachheilschule mit anschließender Hortbetreuung besuche. Sie sei es auch, die dafür Sorge trage, dass Entwicklungsdefizite des Kindes durch Ergotherapie und Logopädie ausgeglichen würden.
In der danach gegebenen Situation spreche nichts dafür, den Lebensmittelpunkt des Kindes in den Haushalt des Vaters zu verlagern. Es sei vielmehr richtig, in die vertrauten Lebensumstände des Sohnes so wenig wie möglich einzugreifen.
Dies entspreche auch dem Willen des Sohnes, der unmissverständlich erklärt habe, bei seiner Mutter bleiben zu wollen.
Allerdings sah das OLG keine hinreichende Veranlassung, über das Aufenthaltsbestimmungsrecht hinaus das gemeinsame Sorgerecht der Eltern aufzuheben und alleine auf die Mutter zu übertragen.
Zwar sei die Kommunikation zwischen ihnen aufgrund fortbestehender Konflikte nachhaltig gestört. Dieser Umstand und der Wunsch beider, Ruhe vor dem jeweils anderen haben zu wollen, reiche zur Begründung eines vollständigen Sorgerechtsentzugs zum Nachteil eines Elternteils jedoch nicht aus. Vielmehr seien beide Eltern gehalten, sich ihrer gemeinsamen elterlichen Verantwortung zu stellen.
Deshalb sei bei fehlender Kooperation der Eltern der Entzug der elterlichen Sorge in ihrer Gesamtheit in der Regel nur dann in Betracht zu ziehen, wenn zwischen ihnen ein tragfähiger Grundkonsens in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung nicht mehr erzielt werden könne. Abgesehen von der bedeutsamen Frage des Aufenthalts des Sohnes stritten sich die Parteien aber in erster Linie über Alltagsangelegenheiten, in denen dem Antragsgegner schon nach dem Gesetz ohnehin kein Mitspracherecht zustehe. Insoweit könne die Mutter nach § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB Entscheidungen alleine treffen. Infolgedessen gebe es keinen Anlass, dem Vater das Sorgerecht im Ganzen zu entziehen, zumal die Eltern Entscheidungen von erheblicher Bedeutung zuletzt einvernehmlich getroffen hätten.
Link zur Entscheidung
OLG Dresden, Beschluss vom 09.02.2007, 20 UF 0799/06