Leitsatz
Gegenstand des Verfahrens war die elterliche Sorge für ein im Jahre 2007 geborenes Kind einer psychisch kranken Mutter, das aus einer nichtehelichen Beziehung stammte. Die Beziehung zu dem Vater hatte die Kindesmutter noch während der Schwangerschaft beendet. Eine Sorgeerklärung hatten die Eltern nicht abgegeben. Die Kindesmutter war alleinige Inhaberin des Sorgerechts.
Es ging in dem Verfahren insbesondere um die Frage, ob die Kindesmutter an der Ausübung der elterlichen Sorge gehindert und deswegen das Ruhen der elterlichen Sorge anzuordnen ist.
Sachverhalt
In einem Verfahren vor dem FamG ging es um das Sorgerecht des im Jahre 2007 geborenen dritten Kindes der Kindesmutter.
Ein erstes Kind war im Jahre 1999 geboren worden. Während der Schwangerschaft hatte sich die Kindesmutter von dem Vater des Kindes getrennt, das geistig behindert war und in einer entsprechenden Betreuungseinrichtung lebte.
Im Mai 2002 wurde ein zweites Kind geboren, von dessen Vater sich die Mutter nach einer neunmonatigen Beziehung trennte. Die Kindesmutter war mit der Betreuung des Kindes vollständig überfordert, es kam zu einer zunehmenden Verwahrlosung der Wohnung. Die Kindesmutter begab sich sechs Wochen nach der Geburt des Kindes zur stationären Behandlung in ein Zentrum für Psychiatrie, seither lebte das Kind in einer Pflegefamilie.
Im Jahre 2002 wurde für die Kindesmutter eine Betreuung angeordnet.
Im Jahre 2007 wurde das dritte Kind geboren. Die Beziehung zu dem Vater hatte die Mutter bereits während der Schwangerschaft beendet. Eine Sorgeerklärung hatten die Eltern nicht abgegeben. Die Kindesmutter war alleinige Inhaberin der elterlichen Sorge.
Sie war weiterhin nicht in der Lage, ihren Alltag zu organisieren und ihre Wohnung von Müll freizuhalten. Sie willigte ein, das Kind in Familienpflege zu geben, das seit der Zeit kurz nach seiner Geburt in einer Pflegefamilie lebte.
Aufgrund einer erneuten Begutachtung wurde die Betreuung der Kindesmutter durch Beschluss vom 30.11.2007 erneut verlängert und mit ihrem Einverständnis auf den Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung erweitert.
Der Kindesvater hat sodann angeregt, festzustellen, dass das Sorgerecht der Kindesmutter ruhe. Zugleich beantragte er, das Sorgerecht auf ihn zu übertragen. Das FamG trennte das Verfahren wegen des Ruhens der elterlichen Sorge ab und legte es der zuständigen Rechtspflegerin vor.
Auf der Grundlage der psychiatrischen Gutachten in der Vormundschaftsakte und nach Anhörung der Kindesmutter stellte die Rechtspflegerin des FamG durch Beschluss vom 23.5.2008 das Ruhen der elterlichen Sorge wegen tatsächlicher Hindernisse gemäß § 1674 BGB fest.
Gegen diesen Beschluss hat die Kindesmutter Beschwerde eingelegt.
Ihr Rechtsmittel führte zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
Entscheidung
Das Rechtsmittel der Kindesmutter führte zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Das OLG kam zu dem Ergebnis, sie sei nicht i.S.v. § 1674 Abs. 1 BGB an der Ausübung der elterlichen Sorge gehindert.
Die Vorschrift erforderte ein tatsächliches Ausübungshindernis, das dazu führe, dass der wesentliche Teil der Sorgerechtsverantwortung nicht mehr von dem Elternteil selbst ausgeübt werden könne. Eine Übertragung der Ausübung auf Dritte sei kein solches Hindernis, das jederzeit widerruflich sei und die Elternteile letztendlich die Verantwortung für die Ausübung der elterlichen Sorge behielten (BGH FamRZ 2005, 29).
Neben äußeren Hindernissen könne auch eine geistige Einschränkung oder psychische Erkrankung des Elternteils der Grund für das Ruhen der Sorge sein (Palandt/Diederichsen, 69. Aufl., § 1674 Rz. 1).
Insofern könne unterhalb der Schwelle der Geschäftsfähigkeit i.S.v. § 1673 Abs. 1 BGB ein Ruhen der elterlichen Sorge in Betracht kommen.
In der Person der Kindesmutter liege ein solches Hindernis jedoch nicht vor.
Aus den vom Vormundschaftsgericht veranlassten Sachverständigengutachten könne nicht auf die Unfähigkeit der Kindesmutter zur Wahrnehmung ihrer Sorgerechtsverantwortung geschlossen werden. Die dort attestierten Defizite, ihren Alltag zu organisieren und ihre finanziellen Verhältnisse zu regeln oder eine Wohnung in Ordnung zu halten, schlössen nicht aus, dass die Kindesmutter dann, wenn das Kind von Pflegeeltern tatsächlich betreut und erzogen werde, ihre aus § 1627 BGB folgende Sorgerechtsverantwortung im Sinne der Steuerung, insbesondere dem Treffen wichtiger, das Kind betreffender Entscheidungen, wahrnehmen könne. Die dafür notwendigen intellektuellen Fähigkeiten seien gegeben.
Von besonderer Bedeutung sei auch, dass sich während der etwa zweijährigen Betreuung des Kindes durch die Pflegeeltern kein Anlass ergeben habe, an der Verantwortungsfähigkeit der Kindesmutter zu zweifeln. Sie habe eingesehen, das Kind nicht selbst versorgen zu können und sich mit der Situation des Kindes bei den Pflegeeltern gut arrangiert. Trotz der konflikthaften Beziehung zum Vater des Kindes trete sie dem Umgang nicht entgegen. Diese Umstände sprechen dafür, dass sie die das Wohl des Kindes be...