1 Leitsatz
Ein Wohnungseigentümer hat einen Anspruch auf Fassung eines Erhaltungsbeschlusses, wenn sich das Ermessen der Wohnungseigentümer insoweit auf null reduziert hat, sich also jede andere Entscheidung als ermessensfehlerhaft darstellt.
2 Normenkette
§§ 18, 19, 44 WEG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer lehnen einen Beschlussantrag von Teileigentümer K ab, ein Dach reparieren zu lassen, obwohl Einigkeit herrscht, dass das Dach dringend zu reparieren ist. Gegen diesen Negativbeschluss geht K vor. Außerdem verlangt er im Wege einer Beschlussersetzung zur Frage der Reparatur einen Grundlagenbeschluss. Die anderen Wohnungseigentümer meinen, der Negativbeschluss sei ordnungsmäßig: Es handele sich um das Dach über einer Restaurantküche, die nachträglich an das Kerngebäude angebaut worden sei. Da die Restaurantküche ausschließlich dem Sondereigentum des K diene, diene auch deren Flachdach ausschließlich diesem Sondereigentum, sodass die Kosten einer – wohl notwendigen – Reparatur nicht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auferlegt werden dürften.
4 Die Entscheidung
Das LG sieht es anders! Ein Anspruch auf eine bestimmte Maßnahme bestehe zwar nur, wenn sich das Ermessen der Wohnungseigentümer im Einzelfall auf null reduziert habe, sich also jede andere Entscheidung als ermessensfehlerhaft darstelle. So liege es aber: Die Reparatur sei im Fall unstreitig dringend erforderlich und eine notwendige Erhaltungsmaßnahme.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es vor allem um die Frage, ob ein Ermessen besteht, das gemeinschaftliche Eigentum nicht zu reparieren.
Notwendige Erhaltungsmaßnahme
Die Wohnungseigentümer haben ein Ermessen, wann und wie sie einen wesentlichen Gebäudebestandteil erhalten. Im Einzelfall ist dieses Ermessen auf null reduziert. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn Außen- und Innenwände bis zur Höhe von 1 m massiv durchfeuchtet sind. Nichts Anderes gilt bei Räumen, die als Büro oder Laden dienen. Diese müssen ebenso wie Wohnungen grundsätzlich dazu geeignet sein, als Aufenthaltsraum für Menschen zu dienen. Dies gilt auch dann, wenn gesundheitsschädlicher Schimmel (noch) nicht aufgetreten ist.
Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?
Die Verwaltung muss die Wohnungseigentümer namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer informieren, dass eine "Ja"-Stimme zwingend ist, weil es kein Ermessen gibt, eine Erhaltung nicht zu beschließen. Hierauf ist bereits in der Ladung hinzuweisen. Ferner ist in der Versammlung eine entsprechende Aufklärung geboten.
6 Entscheidung
LG Karlsruhe, Beschluss v. 8.3.2024, 11 S 53/22