Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 14 Nr. 1 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, Art. 5 GG
Kommentar
1. Die zum Mietrecht entwickelten Grundsätze für eine verfassungsmäßige Interessenabwägung zum Informationsrecht des (ausländischen) Wohnungsmieters sind auf das Wohnungseigentumsrecht übertragbar. Daher kann ein "ausländischer" Wohnungseigentümer, der eine Parabolantenne installieren will, im Regelfall zwar auf einen vorhandenen Kabelanschluss, nicht aber auf die Empfangsmöglichkeiten herkömmlicher Antennenanlagen verwiesen werden.
2. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des OLG Zweibrücken ( OLG Zweibrücken, Entscheidung v. 29. 6. 1992, Az.: 3 W 30/92) unter Hinweis auf Verletzung des Grundrechts auf Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 HaIbsatz 2 GG führte damit zum Erfolg und zur Zurückweisung der Sache an das OLG Zweibrücken (vgl. WE 92, 318).
3. Das genannte Grundrecht gewährleistet jedermann das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Zu ihnen gehören auch Hörfunk- und Fernsehsendungen. Der Grundrechtsschutz erstreckt sich auf die Anbringung der zum Empfang notwendigen Anlagen. Dies gilt auch für Parabolantennen, die den Empfang von Satellitenprogrammen ermöglichen. Schranken findet die Informationsfreiheit u.a. in den allgemeinen Gesetzen, damit auch den Bestimmungen des WEG. Die Verfassung fordert aber, dass bei deren Auslegung und namentlich bei der Konkretisierung der Generalklauseln die betroffenen Grundrechte berücksichtigt werden, damit ihr wertsetzender Gehalt für die Rechtsordnung auch auf der Rechtsanwendungsebene zur Geltung kommt. Im WEG gelten die generalklauselartigen Bestimmungen des § 22 Abs. 1 WEG i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG. Hier ist eine fallbezogene Abwägung der beiderseits grundrechtlich geschützten Interessen vorzunehmen.
Die zivilgerichtliche Rechtsprechung im Wohnungseigentumsrecht hat anders als im Mietrecht ein uneinheitliches Bild. Zum Teil wird dort den baugestalterischen Belangen im Regelfall ein Übergewicht gegenüber dem Informationsinteresse eines ausländischen Miteigentümers zugebilligt, mit dem Argument, dass zum üblichen Wohnkomfort nur der mittels herkömmlicher Empfangsanlagen mögliche Empfang gängiger Rundfunk- und Fernsehprogramme zähle (so z.B. BayObLG, OLG Hamm zuletzt, anderer Ansicht bereits OLG Celle und LG Heilbronn).
Die Schutzwürdigkeit des Informationsinteresses kann nun nicht wesentlich davon abhängen, ob der betreffende Wohnungsnutzer eine Wohnung als Mieter oder Wohnungseigentümer nutzt. Ebenso wenig kommt es hierfür darauf an, ob eine vermietete Wohnung im Wohnungseigentum steht oder zu einem ungeteilten Eigentumsobjekt gehört.
Gelten auch im Wohnungseigentumsrecht die zum Mietrecht entwickelten Grundsätze für eine verfassungsmäßige Interessenabwägung, so kann auch ein Wohnungseigentümer, der eine Parabolantenne installieren will, im Regelfall zwar auf einen vorhandenen Kabelanschluss, nicht aber auf die Empfangsmöglichkeiten herkömmlicher Dachantennen verwiesen werden. Ebenso wie im Mietrecht sind allerdings auch im Wohnungseigentumsrecht Fälle denkbar, in denen aufgrund atypischer Umstände das Informationsinteresse hinter dem durch die Anbringung einer Parabolantenne beeinträchtigten Interesse zurücktreten muss oder in denen einem besonderen Informationsinteresse trotz vorhandenen Kabelanschlusses der Vorrang gebührt. Letzteres wird regelmäßig auf Wohnungseigentümer mit ausländischer Staatsangehörigkeit zutreffen, die durch einen Kabelanschluss allenfalls ein Fernsehprogramm ihres Heimatlandes empfangen könnten. Im Übrigen lässt auch das Wohnungseigentumsrecht Raum, mancherlei Beeinträchtigungen wie Schäden an der Bausubstanz oder Kostenrisiken durch Zustimmungsvorbehalte Rechnung zu tragen, die selbst durch Mehrheitsbeschlüsse der Eigentümergemeinschaft nicht überspielt werden können. Die Modalitäten hierfür zu entwickeln, wird Sache der Fachgerichte sein.
Im Mietrecht kann ein Vermieter den Mieter auf eine von ihm bereitgestellte Gemeinschaftsempfangsanlage verweisen, soweit diese dem Informationsinteresse des Mieters ausreichend entspricht. Auf diese Weise steht dem Vermieter ein Mittel zur Verfügung, die störende Häufung von Parabolschüsseln am Mietobjekt immerhin in den Fällen zu verhindern, in denen die Angebotspalette eines Satelliten ausreicht, um dem Informationsbedarf der verschiedenen Mieter im gebotenen Maße zu genügen.
Im Wohnungseigentumsrecht hat der einzelne Eigentümer, der die Installation von Einzelparabolantennen verhindern will, es zwar nicht in der Hand, gegen den Willen der übrigen Eigentümer eine über die ordnungsgemäße Instandsetzung und Instandhaltung hinausgehende Gemeinschaftsanlage durchzusetzen (vgl. OLG Frankfurt, NJW 93, 2817). Dies schließt aber nicht aus, ihm entsprechend den mietrechtlichen Grundsätzen einen Zustimmungsvorbehalt des Inhalts zuzubilligen, dass sich die an einem Satellitenempfang interessierten Wohnungseigentümer mit einer Gemeinschaftsparabolantenne einverstanden erklären. Ob die Gemeinschaft sich un...