Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen versäumter Rechtsmittelfrist
Normenkette
§ 22 Abs. 1WEG; § 1004 Abs. 1 BGB; § 22 Abs. 2 FGG; Art. 6 BayBO
Kommentar
1. Der Nachbareigentümer (Reihenhaus-Wohnungseigentümer) war als sog. werdender Wohnungseigentümer gem. § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG zur Antragstellung berechtigt (BayObLG Z 1990, 101). Andere Reihenhauseigentümer waren vom Verfahrensgegenstand nicht betroffen, sodass sie auch nicht am Verfahren beteiligt werden mussten (BGH, NJW 1992, 182; BayObLG, WE 1991, 197).
2. Die Errichtung einer Pergola auf der Terrasse eines Reihenhaus-Wohnungseigentums als offenes Rankgerüst für Schling- und Kletterpflanzen ist eine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG (vgl. BayObLG, ZMR 1998, 503). Im vorliegenden Fall wurde die gesetzliche Regelung allerdings durch Vereinbarungen in der Gemeinschaftsordnung in wirksamer Weise abbedungen (BayObLG, ZMR 2000, 234/236). Die einzelnen Sondereigentumseinheiten samt Sondernutzungsrechten sollten hier, soweit tatsächlich ausscheidbar und gesetzlich zulässig, als selbstständig angesehen und wie Alleineigentum behandelt werden. Auch aus anderen Vereinbarungsregelungen, also der Gesamtheit der Vereinbarungen ergibt sich in Auslegung als nächstliegende Bedeutung, dass hier die Eigentümer innerhalb ihres räumlichen Bereichs weitgehend wie Alleineigentümer berechtigt und verpflichtet sein sollten. Somit sind für ein Beseitigungsverlangen nicht die Bestimmungen des WEG ( §§ 22 Abs. 1, 15 Abs. 3 und 14 Nr. 1 WEG) maßgebend, sondern die allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften des Privatrechts und des öffentlichen Rechts, die hier analog anzuwenden sind (BayObLG, ZMR 2000, 234/236).
Die Verletzung nachbarrechtlicher Vorschriften wurden vom LG im Ergebnis zu Recht verneint.
3. Öffentlich-rechtliche Bestimmungen über die Einhaltung von Abstandsflächen (Art. 6, 7 BayBO), denen nachbarschützende Wirkung zukommt (BayObLG Z 1979, 16/21), gelten gem. Art. 6 Abs. 8 BayBO nicht für untergeordnete bauliche Anlagen. Eine ebenerdig als offenes Rankgerüst errichtete Pergola ist als eine solche untergeordnete bauliche Anlage anzusehen (vgl. Art. 63 Abs. 1 Nr. 14c BayBO). Sie braucht daher keine Abstandsflächen einzuhalten.
4. Auf die Vorschriften des privaten Nachbarrechts kann das Beseitigungsverlangen ebenfalls nicht gestützt werden; weder das BGB noch das Bayer. private Nachbarrecht schreiben für die Errichtung baulicher Anlagen die Einhaltung eines bestimmten Grenzabstandes vor.
5. Im vorliegenden Fall wurde auch wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt; die Fristversäumung war nicht verschuldet, da seitens des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers an Eides statt versichert und damit glaubhaft gemacht wurde ( § 15 Abs. 2 FGG), dass er seine an das BayObLG adressierte Rechtsmittelschrift fristgemäß zur Post gegeben hat (hier: 8 Tage vor Fristablauf); er konnte damit rechnen, dass das Rechtsmittel bei normaler Postlaufzeit vor Ablauf der Beschwerdefrist ( § 17 Abs. 1 FGG, § 187 Abs. 1 und § 188 Abs. 2 Halbs. 1 BGB) beim BayObLG eingehen würde (vgl. auch BVerfG, NJW 1995, 2546).
6. Keine außergerichtliche Kostenerstattung in der Rechtsbeschwerdeinstanz im Hinblick auf die unterschiedlichen Entscheidungen der Vorinstanzen bei Geschäftswert von DM 2.000,-.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 14.12.2000, 2Z BR 60/00)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer