Leitsatz
Die Errichtung eines privatschriftlichen Testaments ist auch in Briefform als sog. "Brieftestament" möglich. Hierbei ist der Testierwille des Erblassers von der bloßen unverbindlichen Mitteilung über eine mögliche Testierabsicht nach § 133 BGB abzugrenzen und unter Heranziehung auch außerhalb der Urkunde liegender Umstände zu ermitteln.
Sachverhalt
Die Erblasserin ist eines von 13 Geschwistern. Die Beteiligten zu 1), 2), 3), 7) und 9) und die wäh-rend des Prozesses verstorbene Beteiligte zu 4) sind Geschwister der Erblasserin. Die Beteiligten zu 8) und 10) sind Töchter der vorverstorbenen Schwestern R und J. Die Beteiligten zu 4) und 5) sind Kinder der vorverstorbenen Tochter der vorverstorbenen J.
1994 schrieb die Erblasserin - nach der Beerdigung der Tante, bei der sie lange Zeit aufwuchs - dem Beteiligten zu 1) einen Brief mit u.a. folgendem Wortlaut: "Ich denke an Tante H.'s Tod wenn mein Lebenslauf besiegelt ist, erbst du mein Geld, mein Glück brachte mir Wohlstand in Canada." Diesen Brief versandte sie per normaler Post. Bei späteren Treffen kam er aber niemals zur Sprache; auch Geldangelegenheiten wurden nicht thematisiert.
Nach dem Tode der Erblasserin beantragte der Beteiligte zu 1) auf Grundlage dieses Briefes einen Alleinerbschein. Das AG wies den Antrag zurück, da man aus dem Brief nicht ersehen könne, dass die Erblasserin eine letztwillige Verfügung habe treffen wollen. Das LG hob den Beschluss sodann wieder auf und wies das AG an, dem Antrag des Beteiligten zu 1) zu entsprechen. Hiergegen wendet sich allein die Beteiligte zu 4) erfolglos mit der weiteren Beschwerde. Während des Verfahrens verstirbt sie; der Aufenthaltsort ihrer Erben konnte nicht ermittelt werden.
Entscheidung
Eine Unterbrechung des Verfahrens findet in der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht statt, somit auch nicht durch den Tod der Beteiligten zu 4) bedingt. Das Verfahren wird mit dem Rechtsnachfolger fortgeführt, der von dem Gericht von Amts wegen ermittelt werden kann, aber nicht zwingend ermittelt werden muss. Vorliegend ist dies trotz nicht unbeträchtlicher Mühe nicht gelungen. In Betracht käme hier somit die Bestellung eines Nachlasspflegers, der sich vermutlich professioneller Erbenermittler bedienen würde, was große Kosten verursachen und zu einer erheblichen zeitlichen Verzögerung führen würde. In jedem Fall bliebe es aber den Rechtsnachfolgern verwehrt, neue Tatsachen in den Prozess einzuführen, da die tatrichterlichen Aufklärungen nicht zu beanstanden sind.
Die Errichtung eines privatschriftlichen Testaments ist auch in Briefform als sog. "Brieftestament" möglich. Hierbei ist der Testierwille des Erblassers von der bloßen unverbindlichen Mitteilung über eine mögliche Testierabsicht nach § 133 BGB abzugrenzen und unter Heranziehung auch außerhalb der Urkunde liegender Umstände zu ermitteln. Weil die Abfassung eines Testaments in Briefform nicht den üblichen Geflogenheiten entspricht, sind an den Nachweis des Testierwillens strenge Anforderungen zu stellen; es genügt jedoch, wenn sich der Erblasser bewusst gewesen ist, dass der Brief als Testament angesehen werden kann.
Erst wenn dies das Vorliegen einer letztwilligen Verfügung ergibt, ist diese nach § 2084 BGB auszulegen. Hier ist eine eindeutige Bezugnahme auf den Zeitpunkt des Todes enthalten, unmittelbar verbunden mit der Aussage, dass der Empfänger des Briefes das "Geld" der Erblasserin "erben" werde. Da der Nachlass zudem fast ausschließlich aus Geldvermögen besteht, ist nach den Gesamtumständen die Formulierung "mein Geld" gerade auch aus Sicht der Erblasserin mit ihrem gesamten Vermögen gleichzusetzen. Angesichts des Geschwisterreichtums kann diese Formulierung auch nicht als Hinweis auf die gesetzliche Erbfolge aufgefasst werden. Auch der Anlass, aus dem die Erblasserin den Brief verfasste, und die Reflexionen über ihre Vergangenheit zeigen, dass sie beim Abfassen des Briefes an ihren eigenen Tod dachte. Schließlich unterstreicht die Tatsache, dass sie den Brief mit vollem Vor- und Zunamen unterzeichnete, dass sie sich durchaus bewusst war, nicht lediglich einen einfachen Brief an ihr "liebes Brüderchen" - wie sie den Empfänger auch titulierte - verfasste, sondern rechtlich bedeutsam verfügen wollte, was sie gewöhnlich bei Familienpost nicht zu tun pflegte.
Zu alledem bestand allein zwischen der Erblasserin und dem Beteiligten zu 1) noch ein guter familiärer Kontakt. Im Übrigen war ihr Verhältnis zum Rest ihrer Familie eher als schwierig zu bezeichnen. Daher ist die Auslegung des LG nicht zu beanstanden; die weitere Beschwerde konnte keinen Erfolg haben.
Link zur Entscheidung
Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 29.05.2009, 3 Wx 58/04