Sachverhalt
Maria Karageorgou u.a.)
Bei dem Vorabentscheidungsersuchen ging es um die Frage, ob eine nicht selbständig tätige Person, die für ihre Tätigkeit irrtümlich Mehrwertsteuer in einer Rechnung ausweist, diese Steuer auch dann schuldet, wenn der Rechnungsempfänger kein Unternehmer ist und von daher keine Möglichkeit hat, aus der Rechnung einen Vorsteuerabzug geltend zu machen.
Der EuGH hat entschieden, dass ein Steuerausweis im Fall einer nicht selbständigen (nicht unternehmerischen) Tätigkeit nicht als Mehrwertsteuer qualifiziert werden kann, wenn der Rechnungsaussteller irrtümlich annimmt, dass er seine Leistung als Unternehmer erbringt.
Des Weiteren verweist der EuGH auf sein Urteil v. 19.9.2000, C-454/98 (Schmeink & Cofreth AG & Co. KG). Danach kann jede zu Unrecht in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer berichtigt werden, wenn der Rechnungsaussteller seinen guten Glauben nachweist. Hat der Aussteller die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt, kann zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer berichtigt werden, ohne dass eine solche Berichtigung vom guten Glauben des Ausstellers abhängig gemacht werden darf. Ausgehend von diesem Urteil nimmt der EuGH im Vorlagefall an, dass keine Gefährdung des Steueraufkommens bestanden habe, da die betreffenden Leistungen (nicht selbständige Tätigkeit) nicht der Umsatzsteuer unterlegen haben. In einem solchen Fall soll es nach der jetzigen Entscheidung generell nicht erforderlich sein, dass die Berichtigung des in Rechnung gestellten Betrags vom guten Glauben des Rechnungsausstellers abhängig ist.
Hinweis
Das Urteil bedeutet eine radikale Aushöhlung von Artikel 21 der 6. EG-Richtlinie. Künftig dürfte die Vorschrift nur noch dann anwendbar sein, wenn der Rechnungsaussteller ein Unternehmer ist und seine Tätigkeit dem Grunde nach der Mehrwertsteuer unterliegt, z.B. ein Kleinunternehmer, der Umsatzsteuer unzutreffend in Rechnung stellt. Die Annahme des EuGH, dass im Falle einer nicht steuerbaren Leistung durch einen unzutreffenden Steuerausweis keine Gefährdung des Aufkommens besteht, ist gewiss nicht mehr als eine nicht belegte Behauptung. Es ist sicher nicht auszuschließen, dass Unternehmer aus Rechnungen von nicht selbständigen Personen einen Vorsteuerabzug geltend machen.
Aufgrund des Urteils reduziert sich die Kontrollmöglichkeit zunehmend auf die Seite des Vorsteuerabzugs. Der Strafcharakter von Artikel 21 ist im Prinzip ausgehöhlt. Aufgrund des Urteils dürften auch Rechnungen von Scheinunternehmen für nicht erbrachte Tätigkeiten nicht mehr nach Artikel 21 (§ 14c Abs. 2 UStG - neu -) eingefordert werden können. Wenn keine Tätigkeit erbracht, sondern nur vorgetäuscht wurde, liegt ebenfalls ein nicht der Mehrwertsteuer unterliegender Vorgang vor. Es bleibt abzuwarten, welche Konsequenzen aus dem Urteil für das deutsche Recht gezogen werden.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 03.02.2000, C-12/98EuGH, Urteil vom 06.11.2003, C-80/02