Leitsatz
Die Parteien stritten um Unterhalt für ein minderjähriges Kind. Die auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch genommene geschiedene Ehefrau berief sich wegen eines von ihr nach Abschluss einer Berufsausbildung aufgenommenen Studiums auf Leistungsunfähigkeit.
Sachverhalt
Die Klägerin ist die am 18.9.1997 geborene Tochter der Beklagten. Sie lebt seit dem 1.3.2004 in dem Haushalt ihres Vaters, dem geschiedenen Ehemann der Beklagten.
Die Beklagte schloss im Jahre 2003 eine Ausbildung zur IT-Systemkauffrau ab und nahm nach abgeschlossener Berufsausbildung zum Wintersemester 2004/2005 ein Studium auf. Sie bezog im Wesentlichen BAföG-Leistungen.
Die Klägerin beantragte, die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1.12.2004 Kindesunterhalt i.H.v. jeweils 100 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle zu zahlen. Die Beklagte berief sich insoweit auf Leistungsunfähigkeit.
Das erstinstanzliche Gericht hat der Klage nur teilweise stattgegeben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin für die Zeit von Dezember 2004 bis einschließlich August 2009 einen monatlichen Kindesunterhalt von 100,00 EUR und ab September 2009 von 100 % des Regelbetrages zu zahlen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, der Beklagten müsse es möglich sein, ein Studium durchzuführen. Allerdings sei ihr ein Nebenverdienst zuzumuten, der es ihr erlaube, bis zum Abschluss des Studiums monatlich 100,00 EUR an die Klägerin zu zahlen.
Die Beklagte hat gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung, die Klägerin Anschlussberufung eingelegt. Das Rechtsmittel der Beklagten war ohne Erfolg.
Entscheidung
Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts vertrat das OLG die Auffassung, die Beklagte sei angesichts ihrer gesteigerten Unterhaltsverpflichtung bei einer bereits abgeschlossenen Berufsausbildung unterhaltsrechtlich nicht berechtigt, das aufgenommene Studium zunächst einmal abzuschließen. Vielmehr hätte sie sich in gebotener Weise um eine Anstellung entsprechend ihrer Ausbildung bemühen müssen. Da sie solche Bemühungen nicht dargetan habe, sei ihr ein fiktives Einkommen zuzurechnen.
Dies gelte auch dann, wenn der Lebensplan der Unterhaltsverpflichteten ein Studium vorsah und dieser Plan von dem anderen Elternteil gebilligt wurde. Zugunsten der unterhaltsverpflichteten Mutter war dieser Aspekt von dem erstinstanzlichen Gericht in seiner Entscheidung berücksichtigt worden.
Das OLG hingegen vertrat die Auffassung, ein solcher Plan könne im Verhältnis zu dem geschiedenen Ehemann Geltung beanspruchen. Für die unterhaltsrechtliche Beziehung zu der minderjährigen Klägerin gelte jedoch der Maßstab des § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB. Die Beklagte hätte ihre berufliche Fortbildung zurückstellen oder notfalls ganz aufgeben und eine Erwerbstätigkeit aufnehmen müssen, wenn sie nur hierdurch ihre unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit für die Zukunft hätte sicherstellen können. Da sie im Rahmen ihrer Darlegungspflicht nicht nachgewiesen habe, sich hinreichend um einen Arbeitsplatz bemüht zu haben, seien ihr fiktive Einkünfte in der Höhe zuzurechnen, die eine Zahlung des Regelbetrages ermögliche.
Hinweis
Wenn für ein minderjähriges Kind lediglich der Regelbetrag beansprucht wird, ist der unterhaltsverpflichtete Elternteil darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass er trotz seiner gesteigerten Unterhaltsverpflichtung nicht leistungsfähig ist. Im Hinblick auf die sehr rigorose Rechsprechung in diesem Punkt kann dieser Nachweis an sich nur dann gelingen, wenn der Unterhaltsverpflichtete sich darauf berufen kann, aus gesundheitlichen Gründen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht in der Lage zu sein, ansonsten werden ihm - egal ob er arbeitslos oder Rentner ist - fiktive Einkünfte zugerechnet.
Link zur Entscheidung
OLG Bremen, Beschluss vom 19.07.2006, 4 UF 44/06