Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Luftverkehr. Ausgleichsleistungen für Fluggäste bei großer Verspätung von Flügen. Befreiung von der Ausgleichspflicht. Außergewöhnliche Umstände. Kollision eines Flugzeugs mit einem Vogel. Vollbremsung, die zur Beschädigung der Reifen dieses Flugzeugs führt

 

Normenkette

Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 99; Verordnung (EG) Nr. 261/2004 Art. 5 Abs. 3

 

Beteiligte

Freebird Airlines Europe

YS

RW

Freebird Airlines Europe Ltd

 

Tenor

Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91

ist dahin auszulegen, dass

der wegen eines Vogelschlags erfolgte Abbruch des Startvorgangs eines Flugzeugs durch eine Vollbremsung, durch die die Reifen des Flugzeugs beschädigt werden, unter den Begriff „außergewöhnlicher Umstand” im Sinne dieser Vorschrift fällt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Amtsgericht Eilenburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 19. April 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Mai 2022, in dem Verfahren

YS,

RW

gegen

Freebird Airlines Europe Ltd.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten N. Jääskinen sowie der Richter M. Safjan und M. Gavalec (Berichterstatter),

Generalanwalt: N. Emiliou,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen YS und RW einerseits und dem Luftfahrtunternehmen Freebird Airlines Europe Ltd. andererseits wegen dessen Weigerung, diesen von einer großen Ankunftsverspätung ihres Fluges betroffenen Fluggästen einen Ausgleich zu leisten.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 1, 14 und 15 der Verordnung Nr. 261/2004 lauten:

„(1) Die Maßnahmen der [Europäischen Union] im Bereich des Luftverkehrs sollten unter anderem darauf abzielen, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen. Ferner sollte den Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen in vollem Umfang Rechnung getragen werden.

(14) Wie nach dem [am 28. Mai 1999 in Montreal geschlossenen, von der Europäischen Gemeinschaft am 9. Dezember 1999 unterzeichneten und mit dem Beschluss 2001/539/EG des Rates vom 5. April 2001 (ABl. 2001, L 194, S. 38) in ihrem Namen genehmigten Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr] sollten die Verpflichtungen für ausführende Luftfahrtunternehmen in den Fällen beschränkt oder ausgeschlossen sein, in denen ein Vorkommnis auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Solche Umstände können insbesondere bei politischer Instabilität, mit der Durchführung des betreffenden Fluges nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwarteten Flugsicherheitsmängeln und den Betrieb eines ausführenden Luftfahrtunternehmens beeinträchtigenden Streiks eintreten.

(15) Vom Vorliegen außergewöhnlicher Umstände sollte ausgegangen werden, wenn eine Entscheidung des Flugverkehrsmanagements zu einem einzelnen Flugzeug an einem bestimmten Tag zur Folge hat, dass es bei einem oder mehreren Flügen des betreffenden Flugzeugs zu einer großen Verspätung, einer Verspätung bis zum nächsten Tag oder zu einer Annullierung kommt, obgleich vom betreffenden Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden, um die Verspätungen oder Annullierungen zu verhindern.

…”

Rz. 4

Art. 5 („Annullierung”) der Verordnung Nr. 261/2004 bestimmt:

„(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen

c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt …

(3) Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

…”

Rz. 5

Art. 7 („Ausgleichsanspruch”) dieser Verordnung sieht in Abs. 1 Buchst. b vor:

„(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die ...

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