Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Durchführung des Unionsrechts. Hinreichender Zusammenhang. Fehlen. Unzuständigkeit des Gerichtshofs
Normenkette
Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 47 Abs. 2
Beteiligte
Ministero della Giustizia |
Tenor
Der Gerichtshof der Europäischen Union ist für die Beantwortung der vom Tribunale amministrativo regionale per il Piemonte (Regionales Verwaltungsgericht Piemont, Italien) mit Entscheidungen vom 11. Januar 2017 gestellten Frage offensichtlich unzuständig.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per il Piemonte (Regionales Verwaltungsgericht Piemont, Italien) mit zwei Entscheidungen vom 11. Januar 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 5. April 2017, in den Verfahren
Demarchi Gino Sas (C-177/17),
Graziano Garavaldi (C-178/17)
gegen
Ministero della Giustizia
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal sowie der Richter A. Rosas (Berichterstatter) und E. Jarašiūnas,
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 53 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) in Verbindung mit den Art. 67, 81 und 82 AEUV.
Rz. 2
Diese Ersuchen ergehen in Rechtsstreitigkeiten zwischen der Demarchi Gino Sas bzw. Herrn Graziano Garavaldi auf der einen und dem Ministero della Giustizia (Justizministerium, Italien) auf der anderen Seite wegen der Zahlung der ihnen vom Ministerium aufgrund der unangemessenen Dauer gerichtlicher Verfahren als angemessene Entschädigung geschuldeter Beträge.
Italienisches Recht
Rz. 3
Den Vorlageentscheidungen ist zu entnehmen, dass nach der Legge n. 89 – Previsione di equa reparazione in caso di violazione del termine ragionevole del processo e modifica dell'articolo 375 del codice di procedura civile (Gesetz Nr. 89 über das Recht auf eine angemessene Entschädigung bei Missachtung der angemessenen Verfahrensdauer und über die Änderung von Art. 375 der Zivilprozessordnung) vom 24. März 2001 (GURI Nr. 78 vom 3. April 2001, im Folgenden: Gesetz Nr. 89/2001) der Beteiligte, dem aufgrund der unangemessenen Dauer des Verfahrens ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, unter den Voraussetzungen und in dem Umfang, die in diesem Gesetz festgelegt sind, Anspruch auf eine „angemessene Entschädigung” hat.
Rz. 4
Art. 3 dieses Gesetzes sieht vor, dass die Klage auf Entschädigung beim Präsidenten der Corte d'appello (Berufungsgericht, Italien) zu erheben ist, in deren Bezirk das erstinstanzliche Gericht, vor dem das als unangemessen lang gerügte Verfahren durchgeführt wurde, seinen Sitz hat.
Rz. 5
Mit der Legge n. 208 – Disposizioni per la formazione del bilancio annuale e pluriennale dello Stato (Gesetz Nr. 208 mit Bestimmungen über die Erstellung des Jahres- und Mehrjahreshaushalts des Staates) vom 28. Dezember 2015 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 302 vom 30. Dezember 2015) wurde das Gesetz Nr. 89/2001 geändert. Insbesondere wurde ein Art. 5e eingeführt, der folgendermaßen lautet:
„(1) Um die Zahlung der nach diesem Gesetz festgesetzten Beträge zu erhalten, gibt der Gläubiger gegenüber der zahlungspflichtigen Verwaltung eine Erklärung ab …, mit der er bestätigt, dass er die im Vollstreckungstitel genannten Beträge nicht erhalten und gerichtliche Rechtsbehelfe wegen der Forderung eingelegt hat, und den ihm von der Verwaltung noch geschuldeten Gesamtbetrag sowie die von ihm bevorzugte Zahlungsart im Sinne von Abs. 9 dieses Artikels angibt; außerdem legt er die nach den Dekreten gemäß Abs. 3 erforderlichen Unterlagen vor.
(2) Die Erklärung nach Abs. 1 gilt sechs Monate und ist auf entsprechende Aufforderung der öffentlichen Verwaltung erneut abzugeben.
(3) Mit Dekreten des Ministeriums für Wirtschaft und Finanzen und des Justizministeriums, die bis zum 30. Oktober 2016 zu erlassen sind, werden die Muster für Erklärungen nach Abs. 1 genehmigt und die Unterlagen bestimmt, die der zahlungspflichtigen Verwaltung vorzulegen sind. Die Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung veröffentlichen diese Muster auf ihren Websites.
(4) Sind die Erklärung oder die Unterlagen im Sinne der vorstehenden Absätze nicht, nicht vollständig oder nicht ordnungsgemäß abgegeben bzw. vorgelegt worden, so kann keine Zahlungsanordnung erlassen werden.
(5) Die Verwaltung leistet ihre Zahlung binnen sechs Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem alle Voraussetzungen der vorstehenden Absätze erfüllt sind. Diese Frist beginnt nicht zu laufen, wenn die Erklärung oder die Unterlagen im Sinne der vorstehenden Absätze nicht, nicht vollständig oder n...