Entscheidungsstichwort (Thema)
Gültigkeit. Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen. Ausnahme von der Verpflichtung zur Bekanntgabe von Umweltinformationen, wenn die Bekanntgabe negative Auswirkungen auf die Möglichkeiten einer Person, ein faires Verfahren zu erhalten, hätte. Fakultativer Charakter dieser Ausnahme
Normenkette
Richtlinie 2003/4/EG; EUV Art. 6; Charta Art. 47 Abs. 2
Beteiligte
Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft |
Tenor
Die Prüfung der Vorlagefragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates berühren könnte.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Unabhängigen Verwaltungssenat Wien (Österreich) mit Entscheidung vom 12. Juni 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Juni 2013, in dem Verfahren
Ferdinand Stefan
gegen
Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
erlässt
DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan sowie der Richterinnen A. Prechal (Berichterstatterin) und K. Jürimäe,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Stefan,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
- der griechischen Regierung, vertreten durch G. Karipsiadis als Bevollmächtigten,
- der französischen Regierung, vertreten durch C. Diégo und S. Menez als Bevollmächtigte,
- der schwedischen Regierung, vertreten durch C. Meyer-Seitz und C. Hagerman als Bevollmächtigte,
- des Europäischen Parlaments, vertreten durch L. Visaggio und P. Schonard als Bevollmächtigte,
- des Rates der Europäischen Union, vertreten durch J. Herrmann und M. Moore als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Pignataro-Nolin und H. Krämer als Bevollmächtigte,
aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Gültigkeit und die Auslegung der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (ABl. L 41, S. 26).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Stefan und dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (im Folgenden: Bundesministerium) über dessen Weigerung, Herrn Stefan Umweltinformationen zu übermitteln.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In Art. 2 („Begriffsbestimmungen”) der Richtlinie 2003/4 ist bestimmt:
„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:
‚Umweltinformationen’ sämtliche Informationen in schriftlicher, visueller, akustischer, elektronischer oder sonstiger materieller Form über
- den Zustand von Umweltbestandteilen wie … Wasser …
…”
Rz. 4
Art. 3 („Zugang zu Umweltinformationen auf Antrag”) Abs. 1 der Richtlinie 2003/4 lautet:
„Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass Behörden gemäß den Bestimmungen dieser Richtlinie verpflichtet sind, die bei ihnen vorhandenen oder für sie bereitgehaltenen Umweltinformationen allen Antragstellern auf Antrag zugänglich zu machen, ohne dass diese ein Interesse geltend zu machen brauchen.”
Rz. 5
In Art. 4 („Ausnahmen”) Abs. 2 der Richtlinie 2003/4 ist bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abgelehnt wird, wenn die Bekanntgabe negative Auswirkungen hätte auf:
…
c) laufende Gerichtsverfahren, die Möglichkeiten einer Person, ein faires Verfahren zu erhalten …
…”
Österreichisches Recht
Rz. 6
Das Bundesgesetz über den Zugang zu Informationen über die Umwelt (Umweltinformationsgesetz) (BGBl. 495/1993) in der zur Zeit des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens geltenden Fassung (im Folgenden: UIG) dient der Umsetzung der Richtlinie 2003/4.
Rz. 7
Nach § 4 Abs. 2 UIG unterliegen dem freien Zugang u. a. Informationen über den Zustand von Umweltbestandteilen wie Wasser.
Rz. 8
In § 6 Abs. 2 UIG ist bestimmt:
„Andere als die in § 4 Abs. 2 genannten Umweltinformationen sind … mitzuteilen, sofern ihre Bekanntgabe keine negativen Auswirkungen hätte auf:
…
7. laufende Gerichtsverfahren, die Möglichkeit einer Person, ein faires Verfahren zu erhalten …”
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Rz. 9
In der ersten Hälfte des Monats November 2012 führte die Drau in ihrem österreichischen Abschnitt infolge starker Regenfälle Hochwasser. Verheerende Überschwemmungen richteten insbesondere in den ufernahen Wohngebieten große Sachschäden an.
Rz. 10
Aufgrund von Behauptungen in den Medien, eine unsachgemäße Betätigung der Schleusen habe maßgeblich zu den Überschwemmunge...